Das Ende des Kapitalismus von Ulrike Herrmann

Auf dem Bild ist das Buch "Das Ende des Kapitalismus" von Ulrike Herrmann. Es dient als Headerbild für die Rezension.

Aktualisiert am 8. April 2023 von Antje Tomfohrde

Wie werden wir in Zukunft leben? Wie wird unser zukünftiges Wirtschaftssystem aussehen? Für Ulrike Herrmann ist klar, dass es „Das Ende des Kapitalismus“ sein wird – Wachstum und Klimaschutz sind für sie nicht vereinbar. Sie zeigt in ihrem Buch auf, wie eine Welt ohne Kapitalismus aussehen kann und nimmt sich hierfür die britische Kriegswirtschaft ab 1939 als Vorbild.

Worum geht es?

Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden – so lautet der Untertitel des Buchs „Das Ende des Kapitalismus“ und gibt damit schon eine kurze Inhaltsbeschreibung. In der Einleitung begründet sie schon diese These und schreibt einen ganz wichtigen Satz, wenn man sich mit diesem Buch näher auseinandersetzen möchte:

Wer das Ende des Kapitalismus verstehen will, muss seine Geschichte kennen.Das Ende des Kapitalismus, Ulrike Herrmann

Und mit der Geschichte, der Entstehung und Entwicklung des Kapitalismus beginnt dann der erste von drei Teilen des Buchs. Hier beschreibt Ulrike Herrmann, wie es überhaupt zum Kapitalismus kam und wieso er in England den idealen Keimboden finden konnte. Ein hohes Lohnniveau, günstige Energie und die Erfindung der Dampfmaschine waren ideale Bedingungen dafür. Was unterschied das Land von anderen im 18. Jahrhundert und warum konnte der globale Süden bislang nicht den Anschluss an die industrialisierten Länder finden? Mit diesen Fragen setzt sie sich hier auseinander und stellt auch klar, dass der Kapitalismus nicht nur schlecht ist.

Zudem sind viele Errungenschaften des Kapitalismus so segensreich, dass niemand sie missen möchte. Der materielle Wohlstand hat immaterielle Folgen. Nicht nur die Lebenserwartung hat sich verdoppelt; auch allgemeine Bildung, Gleichberechtigung und Demokratie werden erst möglich, wenn eine Gesellschaft reicher wird.Das Ende des Kapitalismus, Ulrike Herrmann

Im zweiten Teil begründet sie, warum es aus ihrer Sicht kein grünes Wachstum geben kann und technische Innovationen und Digitalisierung das Klima allein nicht retten können. Blind auf technische Neuerungen zu vertrauen, wäre fatal. Es erfordert mehr als das.

Im dritten Kapitel geht es dann um das Ende des Kapitalismus, um ein „grünes“ Schrumpfen. Hier beschreibt die Autorin, wie wichtig es wäre, das Ende des Kapitalismus geplant anzugehen und benennt die britische Kriegswirtschaft als ein Vorbild dafür. Ein geordnetes Sinken des Konsums wäre die Folge und würde laut Ulrike Herrmann auch nicht so trist werden wie während der Zeit des zweiten Weltkriegs.

Als Ziel gibt sie eine Kreislaufwirtschaft an, in der nur noch das produziert wird, was sich recyclen lässt. Technische Innovationen wären wichtig und es wäre auch ein geringes Wachstum möglich, im Rahmen dessen, was die Natur erlaubt.

Am Ende geht sie noch einmal darauf ein, warum sie für diese Art der „Überlebenswirtschaft“ plädiert und warum sie in bestimmten Bereichen schon längst begonnen hat.

Eine ökologische Kreislaufwirtschaft kann schön sein. Sie würde alles bieten, was ein gelungenes Leben ausmacht: Anregung, Abwechslung, Erkenntnis, Austausch, Freundschaft, Liebe, Anerkennung, Spaß, Genuss, Entspannung, Spiel und Sport. Aber auch Sicherheit, Mobilität, Pflege, Arbeit und Erfüllung.Das Ende des Kapitalismus, Ulrike Herrmann

Meine Meinung zu „Das Ende des Kapitalismus“

Ulrike Herrmann hat mit „Das Ende des Kapitalismus“ eine Einladung zur Diskussion geschrieben. Der Titel polarisiert und ruft sofort die beiden Extreme des politischen Spektrums auf den Plan. Die einen fürchten den Zusammenbruch der modernen Demokratien und die anderen feiern die Wiederaufstehung des Kommunismus – beiden Parteien irren sich und sollten mehr als den Buchtitel lesen, bevor sie eine Diskussion vom Zaun brechen.

Denn ich verstehe das Buch schon als eine Grundlage zur Diskussion, denn es stellt mit dem provokanten Titel natürlich schon unsere Art zu leben in Frage, was wir alle tun sollten, so wir denn die Klimakrise ernsthaft aufhalten wollen.

Ein Weiter-so, ein Konsumieren auf Teufel komm raus, egal, was dabei kaputt geht und an CO2 in die Atmosphäre geblasen wird, ist wohl das Lebensmodell von gestern. Dies wurde in den Lockdown-Phasen während der Corona-Pandemie deutlich, denn mit unserem Wirtschaftssystem stimmt etwas nicht, wenn es nur funktioniert, solange wir konsumieren bis der Arzt kommt und so tun, als ob es kein Morgen gibt.

Zunächst einmal beschreibt Ulrike Herrmann sehr fundiert die Entwicklung des Kapitalismus und da merkt man ihren geschichtlichen Sachverstand. Sie geht auch ganz klar auf die Vorzüge des Kapitalismus ein und beschönigt da nicht, wie es vorher war.

Diesen geschichtlichen Teil des Buches empfinde ich als ausgesprochen gelungen und sehr informativ, um zu verstehen, warum England das Land war, in dem er entstand.

England hatte also die teuersten Arbeitskräfte und die billigste Energie. Die Kombination war weltweit einmalig, und sie erklärt, warum die Industrialisierung in England begann. Nur in England war es profitabel, Menschen durch Maschinen zu ersetzen.Das Ende des Kapitalismus, Ulrike Herrmann

Die Erfindung der Dampfmaschine machte den heutigen Kapitalismus erst möglich und das fossile Zeitalter begann.

Spannend sind die Passagen, in denen die Autorin darauf eingeht, dass die Sklaverei im Gegensatz zur Lohnarbeit viel teurer war und Volkswirtschaften dadurch rückständiger blieben, da die Kaufkraft nicht so hoch wie in anderen Ländern mit hohen Löhnen der freien Arbeiter war.

Vieles ist also nicht schlecht am Kapitalismus, allerdings funktioniert er nur mit Wachstum und das ist irgendwann zerstörerisch:

Der Kapitalismus folgt also der Logik der Krebszelle. Er muss unaufhörlich wachsen und zerstört damit erst seine Umwelt – und dann sich selbst.Das Ende des Kapitalismus, Ulrike Herrmann

Die Klimakrise ist eine der Folgen des unaufhörlichen Wachstums und des dazu nötigen Verbrauchs an Energie und Ressourcen. Für Ulrike Herrmann ist somit klar, dass es auch kein „grünes“ Wachstum geben kann und geht im zweiten Teil darauf ein, warum. Teilweise ist es einleuchtend, warum es kein immer Weiter geben kann und wir weniger verbrauchen müssen (allein schon deshalb, weil niemand so viel braucht an Kleidung und Gegenständen). Einige Punkte sind jedoch nicht ganz plausibel begründet, besonders was die sogenannten alternativen Energiequellen angeht, wie Christian Stöcker im Spiegel beschreibt.

Dieser Teil liefert leider nicht die Begründung für das Schrumpfen, die es sollte, was für mich ein Manko ist. Denn gerade im Energiebereich ist noch viel zu erwarten. Ich stimme Ulrike Herrmann zu, dass es weniger Autos für den Individualverkehr geben muss und mehr ÖPNV und ÖPV, aber nicht nur wegen der Energie, sondern allein schon deshalb weil sie den Großteil des Tages einfach herumstehen und nur Platz fressen.

Allerdings sind auch Aussagen wie „Angeblich kostet Klimapolitik also gar nichts, sondern wirft enorme Gewinne ab.“ nicht sonderlich hilfreich, da nicht fundiert. Natürlich kostest Klimapolitik, allerdings nicht so viel wie keine Klimapolitik und an dieser Stelle hat das Buch Schwächen.

Ich stimme ihr zu, dass wir weniger von allem verbrauchen müssen, um noch annähernd das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen und auch um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, denn es geht nicht nur um uns im globalen Norden um unseren Lebensstil zu halten. Bei der ganzen Diskussion wird vergessen, auf wessen Rücken wir dies austragen und wie es wäre, wenn wir uns alle so verhalten würden, wie wir hier. Es geht um das Einsparen von CO2 und dies müssen wir im Norden mehr als der globale Süden.

Da kommt dann auch die Idee der Kreislaufwirtschaft sehr positiv herüber und ist unterstützenswert. Auch ist es hilfreich, dass der Staat Voraussetzungen schafft, dass wir von diesem Überkonsum herunter kommen. Ob es jetzt so sein muss, wie Ulrike Herrmann es beschreibt, ist zu diskutieren. Auf jeden Fall liefert sie mit diesem Buch gute Anregungen und sie hat Recht, dass die Volkswirt*innen so langsam aber sicher mal liefern müssen, wie wir unsere Wirtschaft umbauen können, ohne ein komplettes Chaos zu verursachen. Aus dieser Ecke kommt immer noch zu viel vom Alten und wenig Neues, Stichwort CO2-Bepreisung und Regulierungen.

Insgesamt bewerte ich das Buch positiv, da es gute Denkanstöße liefert, auch wenn es einige Schwächen hat.

Rationierung klingt unschön. Aber vielleicht wäre das Leben sogar angenehmer als heute, denn Gerechtigkeit macht glücklich. Gesellschaften sind entspannter, gesünder und toleranter, wenn der Abstand zwischen Arm und Reich gering ist.Das Ende des Kapitalismus, Ulrike Herrmann
Informationen zum Buch
Buchtitel: Das Ende des Kapitalismus
Autor: Ulrike Herrmann
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungsdatum der deutschen Ausgabe: 08.09.2022
ISBN: 978-3-462-00255-3

PS: „Das Ende des Kapitalismus“ wurde mir als kostenloses Rezensionsexemplar vom Verlag Kiepenheuer & Witsch zur Verfügung gestellt wurde. Herzlichen Dank hierfür!

Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekomme oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.

Du möchtest dich näher mit der Klimakrise, ihren Folgen und wie wir es schaffen können, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, beschäftigen? Dann schau mal in meinen Beitrag „Klimabücher – eine Auswahl (Sachbücher)“ rein. Dort habe ich einige Bücher zum Thema zusammengestellt. Ein interessantes Buch zu diesem Thema ist auch „Die Donut-Ökonomie“ von Kate Raworth.

2 Kommentare

  1. Liebe Antje, vielen Dank für die Zusammenfassung. Das Buch liegt auch noch auf meinem Bücherstapel und ich bin sehr gespannt darauf. Nach deiner Rezension noch mehr. Bis bald, Valerie

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