Aktualisiert am 13. Mai 2024 von Antje Tomfohrde
von Ulrike Draesner
„Eine Frau wird älter“ – allein der Titel regt schon zum Nachdenken an, denn älter werden wir ja alle, wenn es gut für uns läuft. Ulrike Draesner geht aber besonders auf das Älterwerden als Frau ein, was meine Podcast-Partnerin Valerie Wagner und mich aus verschiedenen Altersphasen auf den Titel blickend, gleichermaßen betrifft und interessiert. Hat Valerie gerade die 40 überschritten, befinde ich mich mit Mitte 50 mitten in den Wechseljahren zwischen Hitzewellen und dem Wunsch noch einmal durchzustarten, so dass das Buch auf uns beide eine Sogwirkung ausübte und wir es in einer Folge unseres Die Bücherstaplerinnen Podcasts besprochen haben. Denn – Frauen und Männer altern anders, vor allem ist die gesellschaftliche Sicht darauf noch immer anders.
Worum geht es in dem Buch?
Ulrike Draesner hat mit „Eine Frau wird älter“ das bei Supposé als Hörbuch erschienene Erzählprojekt „Happy Aging“ als Essay ausformuliert. Es ist ein sehr persönliches Buch, erzählt die Autorin doch von sich und dem Älterwerden. Sie beschreibt es aus Sicht einer Frau, die kurz davor ist, 50 zu werden. Wie jeder runde Geburtstag ein Ereignis, das dazu einlädt, das Vergangene Revue passieren zu lassen und über die Zukunft nachzudenken.
Allerdings für Frauen noch einmal ein besonderer Moment, denn mit den Wechseljahren beginnt eine neue Phase, die für jede von uns allein von den „Nebenwirkungen“ schon anders verläuft. Die Jahre, in denen eine Frau fruchtbar ist, neigen sich dem Ende zu und das bedeutet schon einen großen Einschnitt auf der psychischen Ebene. Körperlich passiert so einiges im Körper, was für die eine kaum spürbar ist und für die andere von Schlaflosigkeit, Hitzewellen, Gewichtszunahme bis zu Depressionen gehen kann. Und dann ist es oftmals immer noch so, dass Frauen unsichtbar werden und als Neutrum betrachtet werden.
„Wo, wie und als wer kommt die Frau in den Wechseljahren in unserer Gesellschaft vor?“
Aus „Eine Frau wird älter“ von Ulrike Draesner
Die Autorin begibt sich auf die Suche nach Antworten auf diese Fragen. Sie fragt ihre Mutter, schaut sich in ihrer Verwandtschaft um und fragt Freundinnen zu diesem Thema und vergleicht das Altern ihrer Großmutter mit dem ihren.
„Wer altern darf, kann sich in einem anhaltenden Prozess bis zu seinem Ende hin verändern. Er ist herausgefordert, sich zu diesen Veränderungen zu verhalten. Ständig von Neuem muss und kann man, solange die Zeit läuft, sich als eine weitere, den bereits gelebten Figuren zuzugebende Figur hervorbringen.“
Aus „Eine Frau wird älter“ von Ulrike Draesner
Äußere und innere Veränderungen nimmt sie unter die Lupe, sie geht auf die Pubertät ein, die Zeit der ersten Monatsblutung und auf die letzte Monatsblutung. Was bedeutet die Hormonumstellung, was geht damit einher und was verändert sich in puncto Beziehungen? Die sexuelle Lust verschwindet nicht und was bedeutet es, nur aufs Alter reduziert zu werden in diesem Kontext?
„Nach einem einzigen Kriterium werde ich beurteilt: Alter. Auf sein Alter reduziert zu werden, ist für jeden Menschen, gleich welchen Alters, erniedrigend.“
Aus „Eine Frau wird älter“ von Ulrike Draesner
Wie hat mir „Eine Frau wird älter gefallen“?
Auch wenn ich das Hörbuch „Happy Aging“ schon kannte, gibt mir die Verschriftlichung mehr. Allein dadurch, dass ich an den Stellen, an denen ich ein Fragezeichen im Kopf habe, Pause machen kann, bringt noch einmal mehr Tiefe in das Gedankenspiel Ulrike Draesners. Vieles kann ich nachvollziehen, einiges nicht, bei bestimmten Stellen hole ich Erinnerungen aus meinem Leben hervor.
Dadurch, dass das Buch wie eine Art Tagebuch ist, in dem Gedanken festgehalten werden, regt es zum Nachdenken an. Es geht ja nicht um das Älterwerden jeder Frau, sondern um das ganz persönliche Altern der Autorin. Für sie ist es ein Aufbruch und ich mag diese Vorstellung. Eine Phase neigt sich dem Ende zu, aber am Horizont geht schon die nächste Phase auf. Der Begriff Metamorphose bzw. Change of life, den Ulrike Draesner benutzt, beschreibt es gut. Es ist ein bisschen wie ein Schmetterling, der sich zum zweiten Mal verpuppt, um ein neuer oder besser ein älterer Schmetterling zu werden.
„Ich gehe verloren; etwas in mir geht verloren. Ich brauche nicht danach zu suchen, denn nicht, was war, muss wiederhergestellt werden. Ich brauche etwas Anderes: mich selbst in meiner neuen Form. Als Frau, die weiß, wer sie in diesem Alter ist, welche Bedürfnisse sie hat, und die sich trotz Einschüchterungen nicht davon abhalten lässt, diese Bedürfnisse auszudrücken.“
Aus „Eine Frau wird älter“ von Ulrike Draesner
Mir gefällt, dass eine Brücke geschlagen wird zwischen den Altern, also der Generation der eigenen Eltern und den Jungen, der Generation, die nach uns kommt. Ulrike Draesner beschreibt es, dass sie in der Mitte steht und die Arme in jede Generation ausgestreckt hat. Ich mag diesen Vergleich. Ich mag auch, wie sie darüber schreibt, was sie ihrer Tochter mitgeben möchte und wie offen sie mit bestimmten Themen wie ihren Fehlgeburten umgeht. Sie hat eine sehr direkte Art über die Dinge zu sprechen und schafft es trotzdem, das Thema des Älterwerdens auf eine philosophische Ebene zu heben.
Mich hat dieses Buch weitergebracht in Bezug auf meinen eigenen Umbruch, meine Metamorphose, in der ich mich befinde.
„Mitunter möchte in noch einmal 25 sein, oder 35, für Abend X, Unternehmung Y, und gern wäre ich zehn Jahre alt beim Ausflug ins Spaßschwimmbad. Im Großen und Ganzen wünsche ich mir die Zeit der jungen oder gerade noch jungen Frau indes nicht zurück.“
Aus „Eine Frau wird älter“ von Ulrike Draesner
Wie meine Podcast-Kollegin Valerie das Buch fand, erfährst du in Folge 17 des Die Bücherstaplerinnen Podcast. Dort reden wir noch über verschiedene Aspekte des Älterwerdens und empfehlen weitere Bücher zum Thema. Hör gerne einmal rein!
Du findest uns bei Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts und einigen weiteren Podcatchern. Valerie findest du auf ihrer Website Text und Podcast.
Autorin: Ulrike Draesner
Erscheinungsdatum: 15. Oktober 2018
Verlag: Penguin Verlag
ISBN: 978-3-328-60002-2
PS: Mein Buch ist ein kostenloses Leseexemplar, das mir über das Bloggerportal vom Penguin Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Hierfür bedanke ich mich herzlich! Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.
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