Lust auf Verzicht von Ingo Balderjahn

Auf dem Bild ist das Buch Lust auf Verzicht von Ingo Balderjahn auf einer hellen, holzähnlichen Fläche abgebildet. Es dient als Header für die Rezension des Buchs.

Aktualisiert am 14. April 2024 von Antje Tomfohrde

In „Lust auf Verzicht“ setzt sich Ingo Balderjahn damit auseinander, das wir zwar Klimaschutz wollen, aber nicht danach handeln. Etwas, das vermutlich jede und jeder von uns nachvollziehen kann. Warum ist das so und was können wir dagegen tun?

Worum geht es im Buch?

„Konsumiere stets so, dass deine Kinder und Enkel die gleichen Lebenschancen haben werden, die du zum Leben vorgefunden hast.“

„Lust auf Verzicht“ von Ingo Balderjahn

Mit diesem Satz legt Ingo Balderjahn die Messlatte schon gleich in den ersten Kapiteln ziemlich hoch und gleichzeitig erinnert er daran, dass es bislang immer die Aufgabe der älteren Generationen war, dafür zu sorgen, dass die Jüngeren gute Lebensbedingungen vorfanden. Doch wie können wir das angesichts der Klimakrise und der dadurch entstehenden weiteren Krisen schaffen?

In „Lust auf Verzicht“ geht Ingo Balderjahn darauf ein, warum bewusster Konsum glücklich macht und dem Klima hilft und betrachtet das Thema Klimaschutz zu wollen, aber entgegengesetzt zu handeln aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht.

Zunächst einmal geht es um unsere Verschwendungssucht und wie es dazu gekommen ist bzw. wie es von Generation zu Generation weitergegeben wird. Hier hinterfragt der Autor, warum nicht auch von der Politik dazu aufgerufen wird, bewusster zu konsumieren und warum wir als Konsument*innen nicht verantwortungsbewusster konsumieren. Denn der private Konsum ist durchaus ein Hebel, der angesetzt werden kann im Kampf gegen die Klimakrise. Doch zwischen Wissen und Handeln besteht ein großer Unterschied:

„Zwischen dem, wie Menschen sich zur Nachhaltigkeit äußern, und dem, wie sie sich verhalten, klafft eine riesengroße Lücke.“

„Lust auf Verzicht“ von Ingo Balderjahn

Er wirft einen Blick auf den künstlich erschaffenen Homo oeconomicus, den es so gar nicht gibt und zeigt den Blick der Politik auf die Konsumentenwelt, der auch nicht ausreichend ist. Aus diesen Gründen ist es wichtig, die Konsument*innen aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht zu betrachten, um ein runderes Bild darüber zu bekommen, was die Entscheidungen beeinflusst. Psychologie, Soziologie, Sozialpsychologie, Ethnologie und Verhaltensbiologie liefern die Grundlagen für die Wissenschaft vom Konsumentenverhalten, die versucht zu erklären und zu verstehen, wie und auf welcher Grundlage Konsumentscheidungen getroffen werden.

„Der Homo oeconomicus hat kein Gewissen und kennt keine Moral, der Konsument schon.“

„Lust auf Verzicht“ von Ingo Balderjahn

Eine wichtige Rolle kommt hier dem Marketing zu, das weitaus mehr kann als sich auf den kommerziellen Beriech zu beschränken. Das Wissen der Konsumentenverhaltensforschung kann genauso genutzt werden, um Kampagnen zu entwickeln, die Menschen dafür begeistern, sich für Umwelt- und Klimaschutz einzusetzen.

„Nachhaltiger Konsum ist weniger eine Frage von Status und Einkommen, sondern eine Frage des Bewusstseins.“

„Lust auf Verzicht“ von Ingo Balderjahn

Weiterhin geht er auf die verschiedenen Konsumarten ein, beschreibt Konsummuster und geht auf das Konzept des freiwilligen Konsumverzichts ein, das auf Freiwilligkeit beruht und wie es motiviert sein kann. Er beschreibt die persönlichen Vorteile eines Konsumverzichts und was diese Entscheidung hemmen kann wie kulturell-gesellschaftliche, politisch-ökonomische, Marktbarrieren oder psychologische Barrieren oder Verantwortungslosigkeit und Egoismus.

Um die Sinnhaftigkeit und Lust auf Verzicht zu machen, setzt er auf Kommunikation, die zu Einsicht führt.

Wie hat mir „Lust auf Verzicht“ gefallen?

Beim Lesen des Titels habe ich zuerst gedacht, dass es bestimmt um Tipps geht, weniger zu konsumieren und wie das Beste daraus gemacht wird. Darum geht es in gewisser Weise auch, allerdings macht Ingo Balderjahn durch wissenschaftliche Beobachtungen und Begründungen „Lust auf Verzicht“.

Er beschönigt nichts, sondern geht darauf ein, warum es so schwer für uns ist, Handeln zu wollen, es aber nicht auf die Reihe bekommen bzw. warum es manche doch schaffen, auch gegen gesellschaftliche Barrieren oder gegen die eigene Bequemlichkeit, denn es dauert, bis sich eine neue Gewohnheit eingeschliffen hat. Ein klassisches Beispiel ist die Fahrt mit dem Auto zur 700 m entfernten Bäckerei.

Hier geht er darauf ein, dass wir es selbst in der Hand haben, diese Entscheidungen zu treffen, wir aus der Rolle des hilflosen Ausgeliefertsein heraus können. Dazu muss es aber erst einmal erkannt werden und auch aufgezeigt werden, was erreicht werden kann, wie zum Beispiel als im Juni 2022 das Erdgas knapp zu werden drohte.

„Lust auf Verzicht“ geht das Thema noch einmal von einer anderen Seite an und Ingo Balderjahn sieht es als einen großen Hebel an, um gegen die Erderwärmung zu arbeiten. Er setzt hier auf Freiwilligkeit und wenig auf staatliche Eingriffe, es geht ihm um die Übernahme von Verantwortung.

„Die Umwelt und das Klima zu schützen, ist eine Herkulesaufgabe von epochaler Bedeutung, die in der Verantwortung aller liegt: des Staates, der Wirtschaft und der Bürger.“

„Lust auf Verzicht“ von Ingo Balderjahn

Den Punkt mit der Übernahme der Verantwortung für die Klimakrise finde ich sehr wichtig, denn der wird wirklich häufig ausgeblendet. Wir als Konsument*innen und Bürger*innen haben auch Einfluss durch unsere Entscheidungen und sind nicht komplett hilflos dem System ausgeliefert. Durch Konsumentscheidungen können wir etwas erreichen und wenn dann die Politik mitspielt und die richtigen Entscheidungen trifft wie zum ein Tempolimit, den Ausbau von ÖPV, ÖPNV und vielem mehr, wird ein Schuh daraus, der allen hilft.

Und natürlich ist es wichtig, dass dies aus Überzeugung passiert, allerdings halte ich ein paar staatliche Eingriffe hier und da für gegeben und nötig, wie zum Beispiel bei Subventionen im Verkehrssektor und würde nicht komplett auf Freiwilligkeit setzen, das hat in den letzten Jahren (siehe Pandemie) nicht so überzeugend funktioniert.

Mir gefällt gut, dass der Autor auf die Bedeutung von Marketing und guter Kommunikation eingeht, denn nur, was gut kommuniziert wird, wird auch verstanden und umgesetzt. Die Menschen sind ja nicht per se blöd, sondern verstehen, worum es geht, wenn es erklärt wird und handeln dementsprechend.

Sprachlich ist das Buch zwar nicht ganz locker, flockig im angelsächsischen Stil eines Sachbuchs geschrieben, aber leicht verständlich und der Autor versteht es sein Anliegen rüberzubringen, auch wenn ich mir wünschen würde, es würde nicht ständig vom „Verzicht“ gesprochen, sondern mehr vom Gewinn, den weniger Konsum bedeutet, aber auch das ist Geschmackssache. Gut gefällt mir, dass am Rand immer mal wieder wichtige Sätze in fetter Schrift gesetzt sind und sofort ins Auge fallen.

„Auf Konsum zu verzichten ist die finanziell günstigste Form, nachhaltig zu handeln.“

„Lust auf Konsum“ von Ingo Balderjahn

Insgesamt ist „Lust auf Verzicht“ ein lesenswertes Buch, um besser zu verstehen, warum wir das eine sagen, aber etwas anderes tun, aber auch um zu verstehen, wie das geändert werden kann. Dieser Verhaltenswissenschaftliche Blick ergänzt, was bislang zum Thema Konsum gesagt wurde.

„Menschen, die auf Konsum verzichten, verzichten nicht auf Glück, Zufriedenheit und Lebensqualität.“

„Lust auf Verzicht“ von Ingo Balderjahn
Informationen zum Buch
Buchtitel: Lust auf Verzicht
Autor: Ingo Balderjahn
Erscheinungsdatum: 11.01.2024
Verlag: Oekom Verlag
ISBN: 978-3-98726-081-0

PS: Mein Buch ist ein kostenloses Rezensionsexemplar (unbezahlte Werbung), welches mir vom oekom Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Darüber habe ich mich sehr gefreut! Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.

Wenn du dich noch weiter mit dem Thema Konsum beschäftigen möchtest, empfehle ich dir „Konsum Warum wir kaufen, was wir nicht brauchen“ von Carl Tillessen. Da wird der Wahnsinn, den unser Überkonsum mittlerweile erreicht hat, mehr als deutlich.

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