Ändere nicht die Vergangenheit – Das andere Tal

Auf dem Bild ist das Buch "Das andere Tal" von Scott Alexander Howard. Es ist das Headerbild zur Rezension des Buches.

Aktualisiert am 20. April 2024 von Antje Tomfohrde

von Scott Alexander Howard, übersetzt von Anke Caroline Burger

Wer hat nicht schon von einer Zeitreise geträumt, um an einem entscheidenden Punkt etwas anders zu entscheiden? In „Das andere Tal“ sind Zeitreisen zum Greifen nah und doch nicht einfach so möglich.

Worum geht es in „Das andere Tal“?

„Das andere Tal“ beschreibt eine Welt, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ganz nah beieinanderliegen. Im jeweiligen Nachbartal gibt es ein Tal, das dem anderen nur jeweils zwanzig Jahre voraus ist oder zwanzig Jahre in der Zeit zurückliegt. Besuche sind nur in seltenen Ausnahmefällen erlaubt, wenn der Tod eines Angehörigen kurz bevorsteht, um diesen Menschen noch einmal zu sehen.

Diese Besuche werden genauestens von den Mitarbeitenden des Conseils geprüft und nur selten gewährt, zu groß ist die Gefahr, dass bei einem Besuch etwas aus dem Ruder läuft und versucht wird in die Vergangenheit einzugreifen. Ein solches Eingreifen kann schwerwiegende Konsequenzen für alle Täler haben und die Zeitlinie verändern.

Es ist Sommer und die 16-jährige Odile steht wie die anderen aus ihrer Schulklasse davor, im nächsten Jahr die Schule zu verlassen und eine Ausbildung zu beginnen. Ihre Mutter träumt von einer Ausbildung im Conseil für sie, ihr Freund Edme möchte ans Konservatorium, seine Eltern halten ein Ausbildung beim Metzger für die bessere Wahl. Durch einen Zufall bemerkt Odile den Besuch von Edmes Eltern aus der Zukunft und ihr ist klar, dass er nicht mehr lange zu leben hat.

„Der Mann in dem Sackumhang hielt die Frau am Arm fest, damit sie nicht ins Wasser fiel. Und in diesem Augenblick, in dem sie sich aneinander festklammerten, starrten mich die beiden Besucher direkt an.“

„Das andere Tal“ von Scott Alexander Howard

Kann, will und wird sie an seinem Schicksal etwas ändern oder fügt sie sich den Regeln?

Wie hat mir das Buch gefallen?

Das Unheil liegt von Anfang an über der Geschichte. Odile, ein ruhiges Mädchen das eher zu den Außenseitern gehört, sieht Edmes Eltern und weiß, dass sie gekommen sind, weil ihm etwas passieren wird, ansonsten wäre ihnen kein Besuch im Tal gewährt worden.

Scott Alexander Howard hat die Geschichte um „Das andere Tal“ in einem eher puristischen Setting konstruiert. Es spielt in einer Zeit vor unserer Zeit, aber nicht zu weit davor, denn es gibt zum Beispiel schon Autos. Allerdings fehlen Informationen dazu, wie die Außenwelt rund um die Täler ist, wie können die Bewohner Kontakt halten, es scheint nur Ausbildungsberufe zu geben, von einer Universität ist nicht die Rede, obwohl es einen Arzt gibt.

Die Menschen scheinen ein einfacheres Leben als heute zu führen, es gibt weniger Ablenkungen, die Jugendlichen gehen am Wochenende ins Strandbad am See oder treffen sich heimlich im Wald. Es gibt das Teeboot, wohin man zu besonderen Gelegenheiten wie Geburtstagen geht. Odile lebt sehr zurückgezogen mit ihrer Mutter, die sie allein erzieht und die sich wünscht, dass ihre Tochter ihren Traum von einer Ausbildung im Conseil lebt.

„Ich wusste, dass ich ihre Zukunftspläne mit erfüllen sollte. Würde ich irgendeinen anderen Beruf ergreifen, würde ich die Erwartungen nicht erfüllen, die sie an ihr eigenes Leben gehabt hatte.“

„Das andere Tal“ von Scott Alexander Howard

Die Menschen leben vor sich hin, vorherbestimmt, es wirkt sehr eindimensional und es war für mich an manchen Stellen etwas langatmig. Die Geschichte geht weiter und da ich nicht allzu viel verraten möchte, erzähle ich jetzt nicht darüber weiter. Plötzlich beginnt ein zweiter Teil, der zwanzig Jahre weiter in der Zukunft spielt. Odile hat einen Beruf gelernt und lebt ein ganz anderes Leben als man hätte erwarten können im ersten Teil.

Scott Alexander Howard bleibt auch hier bei der spartanischen Ausschmückung, doch kleidet er das Innenleben der jetzt erwachsenen Odile mehr aus und mir als Leserin blieb nichts anderes übrig als mit ihr und ihrer Seelenpein mitzuleiden, auch wenn es manchmal ein wenig zu viel erscheint. „Das andere Tal“ packte mich im zweiten Teil und kann mit einem überraschenden Ende und ein paar interessanten Wendungen aufwarten.

Das Gedankenspiel der Zeitreise macht das Buch interessant und der rote Faden der vertanen Chancen. Die Mutter, die will, dass ihre Tochter ihre Träume verwirklicht, die Eltern, die ihren Sohn an seinen Träumen hindern wollen, das Nichteingreifen-Dürfen in die Zeit, auch wenn die Möglichkeit besteht, jederzeit in das andere Tal nebenan zu gehen. Die Menschen sind eingesperrt und sind dazu verdammt, in diesem Tal zu verharren und sich der vorgegebenen Zeitlinie zu fügen. Das erklärt auch, warum vieles nicht ausgeschmückt ist, die Personen nur wenige Charakterzüge haben und nicht komplett wirken.

Das fasziniert und irgendwie hofft man beim Lesen, dass es da noch mehr gibt. Das Buch wird wohl als Serie verfilmt werden und es klingt nach einer guten Vorlage für eine Mini-Serie, allein weil es sehr spartanisch erzählt ist. „Das andere Tal“ hat mich im zweiten Teil eingezogen in die Geschichte oder mehr in Odiles Kopf. Wenn du Freude an Was-wäre-wenn-Gedankenexperimenten hast, ist das Buch etwas für dich.

Informationen zum Buch
Buchtitel: Das andere Tal
Autor: Scott Alexander Howard
Übersetzerin: Anke Caroline Burger
Erscheinungsdatum: 20.03.2024
Verlag: Diogenes Verlag
ISBN: 978-3-257-07282-2

PS: Mein Buch ist ein kostenloses Rezensionsexemplar (unbezahlte Werbung), welches mir vom Diogenes Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Herzlichen Dank hierfür! Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.

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