Aktualisiert am 21. Juli 2022 von Antje Tomfohrde
von Mario Giordano
Ein wuchtiges Familienepos
In „Terra di Sicilia Die Rückkehr des Patriarchen“ erzählt Mario Giordano die Geschichte von Barnaba Carbonaro und wie er von Sizilien nach München kam. Ein Leben wie eine Achterbahnfahrt und keine Geschichte eines Tellerwäschers, der einfach Millionär wird.
Wovon handelt das Buch?
Barnaba Carbonaro kommt als alter Mann nach München zurück, um eines der vielen Familienporträts machen zu lassen, die ihm so wichtig sind. Er wächst Ende des 19. Jahrhunderts auf Sizilien auf. Als Sohn eines gefallenen, arbeitsscheuen Priesters und einer Wunderheilerin reicht es hinten und vorne nicht, um den Sohn auf die Schule zu schicken. Also beginnt er schon früh zu arbeiten, um das Überleben der Familie zu sichern.
Seine Karriere beginnt mit fünf Jahren auf der Orangenplantage des Dottore Passalacqua. Wie schon geschrieben, sein Vater hat es nicht so mit Arbeiten, so dass er und seine Mutter die Hauptverdiener sind. Barnaba gleicht seine geringe Körpergröße mit viel Selbstbewusstsein und einem Hang zu großer Klappe und hitzigen Reaktionen aus. Dies bringt ihm manch aufregende Wendung im Leben und ist auch ein Beschleuniger für seinen beruflichen Erfolg.
Irgendwann führt ihn sein Weg nach München und irgendwie verliebt er sich in diese Stadt und sein Ziel ist klar. Er will es dort, im kalten Deutschland, schaffen. Hiervon und von seinem zwischenzeitlichen und immer wieder Scheitern und Aufstehen erzählt das Buch. Auch seine Mama und seine immer größer werdende Familie spielen eine wichtige Rolle in der Erzählung.
Wie hat mir „Terra di Sicilia Die Rückkehr des Patriarchen“ gefallen?
Im Vorfeld hatte das Buch auf Instagram einiges an Vorschusslorbeeren bekommen, so dass die Erwartungen ganz schön hoch waren. Dies ist bekanntlich nicht immer einfach und auch ich tue mich oftmals schwer damit, so ein Buch dann gleich bzw. überhaupt zu lesen. „Terra di Sicilia Die Rückkehr des Patriarchen“ wurde in eine Liga mit „Der Gesang der Flusskrebse“ gepackt. Dadurch habe ich es dann auch gelesen, denn das war ausnahmsweise eines der hochgelobten Bücher, die ich auch begeistert gelesen habe.
Barnaba Carbonaro ist als Hauptcharakter des Buches kein Sonnenschein, den jede*r gleich ins Herz schließt. Er ist hitzköpfig, sehr von sich überzeugt, ein Macho wie er im Buche steht und trotzdem ist seine Mama sein Mittelpunkt bzw. er ist ihr verpflichtet, wie es sich für einen Sizilianer der damaligen Zeit gehörte. Selfmade Mann beschreibt ihn gut. Ein Mann, der nur wenig Herzlichkeit und Charme versprüht.
Dies empfinde ich allerdings als äußerst wohltuend im Gegensatz zu Geschichten, in denen die Hauptcharaktere allesamt nett, beliebt und wunderschön sind. Barnaba ist ein Mensch mit vielen Schwächen, wie aus dem echten Leben gegriffen.
Seine große Liebe zu Deutschland beginnt im Polizeipräsidium und wird sich wie ein roter Faden durch sein Leben ziehen, aber nicht immer einfach sein. Auch seine anderen Liebesbeziehungen sind nicht immer einfach und ich weiß nicht, ob seine Liebe zu Deutschland nicht größer ist als die zu seinen Frauen.
Die Beschreibungen Mario Giordanos machen ihn dann doch ein wenig liebens- oder bemitleidenswert, ich schwanke da noch immer. Es sind wuchtige Beschreibungen, die diesem Familienepos den Stempel aufdrücken und ihm einen ganz eigenen Charme mitgeben. Besonders schön fand ich die Beschreibungen des Lachens der einzelnen Familienmitglieder (S. 395). Ich könnte diesen Teil des Buches wieder und wieder lesen.
Barnaba führt seine Leser*innen durch die Geschichte von Sizilien nach Deutschland, wieder zurück, in die USA und wieder zurück ins Nachkriegsdeutschland. Eine aufregende Geschichte, die fesselt und dadurch besticht, dass nicht alles einfach ist oder immer gut ausgeht. Ein Buch für lange Sommernachmittage im Schatten oder für kalte Winterabende auf dem Sofa und bestimmt auch irgendwann eine Vorlage für einen Film.
Mit „Terra di Sicilia Die Rückkehr des Patriarchen“ gelingt es Mario Giordano, einen in eine andere Zeit, eine andere Welt zu bringen, was im Augenblick ja genau das ist, was wir zwischendurch einmal brauchen. Es erfüllt also das hochgesteckte Ziel.
Viel Vergnügen beim Lesen!
Autor: Mario Giordano
Verlag: Wilhelm Goldmann Verlag
Erschienen: 14.03.2022
ISBN: 978-3-442-31560-4
PS: Mein Buch ist ein kostenloses Leseexemplar, das mir über das Bloggerportal vom Goldmann Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Ganz herzlichen Dank dafür! Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.
Es gibt viele tolle Familiengeschichten. „Der Gesang der Berge“ von Nguyễn Phan Quế Mai spielt in Vietnam und erzählt die Geschichte eines Mädchens, das mit seiner Großmutter die Wirren des Vietnamkriegs. Es geht zurück in die Vergangenheit der Familie und Vietnams.