Blaues Wunder von Anne Freytag

Auf dem Foto ist das Buch Blaues Wunder von Anne Freytag auf einem gräulichen Holzgartentisch abgebildet. Es ist das Headerbild zur Rezension des Buchs.

Aktualisiert am 9. Juni 2025 von Antje Tomfohrde

Anne Freytag hatte ich schon seit dem Erscheinen ihres Buchs „Lügen, die wir uns erzählen“ auf meiner Liste der Autorinnen, die ich gerne lesen möchte und so war es ein glücklicher Zufall, dass meine Podcast-Kollegin Valerie Anne Freytag als Wunschgästin für unseren Podcast hatte. Zur Vorbereitung auf die Folge mit ihr habe ich „Blaues Wunder“ gelesen und erzähle hier jetzt mal, worum es geht und wie mir das Buch gefallen hat.

Worum geht es?

Drei Paare schippern auf einer Luxusyacht in der Inselwelt der Philippinen herum. Sonne, gutes Essen, abends ein Glas Champagner als Sundowner – nur die gute Laune fehlt, denn so ganz freiwillig ist dieser Luxusurlaub nicht.

„Bei diesem Trip geht es um etwas Großes. Etwas, das jeder ahnt, aber keiner zu wissen scheint. Bis auf Walter. Und Rachel vielleicht.“

Aus „Blaues Wunder“ von Anne Freytag

Walter ist der Chef von Ferdinand und Kilian, die mit ihren Frauen Nina und Franziska von Walter zu dieser Reise eingeladen wurden. Mit von der Partie ist Walters Ehefrau Rachel und ihr erwachsener Sohn David. Es könnte entspannt sein, doch das ist es nicht. All der Luxus, die guten Speisen und Getränke können nicht verbergen, dass etwas in der Luft liegt.

„Wir sind allein mitten auf dem Meer – wir und der Schein, den wir wahren.“

Aus „Blaues Wunder“ von Anne Freytag

Ferdinand und Kilian sind zwar Arbeitskollegen, aber eher im Sinne von Rivalen. Zwischen David und seinem Vater herrscht Schweigen und auch bei den Ehepaaren brodelt es aus unterschiedlichen Gründen unter der Oberfläche. Der Schein trügt. Aus welchem Grund hat Walter sie alle eingeladen?

Wie hat mir „Blaues Wunder“ gefallen?

Das Buch habe ich an einem Nachmittag in einem Rutsch durchgelesen. Eigentlich reicht das als Beschreibung, oder?

Anne Freytag hat es geschafft, mit „Blaues Wunder“ einen unglaublich spannenden Roman zu schreiben, einen Pageturner. Genau das richtige Buch für einen Nachmittag auf der Couch, im Freibad, auf dem Balkon, im Bett, wo auch immer du mehrere Stunden am Stück lesen möchtest.

„Blaues Wunder“ ist wie ein Gericht, bei dessen Zubereitung von allen Zutaten genau die richtige Menge hinzugefügt wurde. Drei Paare auf einer Luxusyacht in den Philippinen unterwegs und du weißt sofort, dass da etwas nicht ganz stimmt. Anne Freytag sät von Anfang an Misstrauen in ihren Leser*innen ob der schönen Urlaubskulisse.

Die Geschichte wird aus den Perspektiven der drei Frauen an Bord erzählt, ein großartiger Schachzug, sind sie doch für ihre Alpha-Ehemänner nur nettes Beiwerk, das in dieser Welt nichts zu sagen hat, sondern sich eher aufs gute Aussehen konzentrieren sollte. Es klingt platt und klischeehaft, wie aus der Zeit gefallen, gibt es aber gar nicht so selten noch in der Realität und nicht nur in amerikanischen Fernsehserien. Althergebrachte patriarchale Strukturen, die gepflegt werden und unter dem schönen Schein oftmals nicht sofort erkennbar sind.

„Ich wollte immer arbeiten. Aber das hat nicht in die Schicht gepasst, zu der ich nun gehörte. Eine Schicht, in der Frauen das nicht müssen – was übersetzt bedeutet, dass sie es nicht sollen. Sie haben doch einen Mann.“

Aus „Blaues Wunder“ von Anne Freytag

Das ist die eine Tatsache, die alle drei Frauen verbindet. Sie sorgen dafür, dass der Alltag funktioniert, haben aber nach außen keine tragende Rolle im Leben ihrer Männer, sind also die perfekten Beobachterinnen, die die Geschichte aus jeweils ihrem Blickwinkel erzählen können, während sich die Männer in der Zwischenzeit ums Geschäft kümmern. Rachel, Walters Frau, beschreibt das gut:

„Ich war den Großteil meines Lebens Eigentum, über das verfügt wird. Mein Bruder Johannes war ein Mensch, ich eine Tochter. Das Petersilienröschen, das man für die Optik auf ein farblich wenig ansprechendes Gericht legt und dann am Tellerrand liegen lässt.“

Aus „Blaues Wasser“ von Anne Freytag

Es ist nicht klar, was Walter von den beiden Jüngeren genau will. Klar ist, dass es um Macht und Machtspielchen à la „The Winner Takes It All“ geht. Von Tag zu Tag steigt die Anspannung, jedes Essen, jeder Drink, jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt. Nora liefert vermutlich die beste Beschreibung dieses Silberrückens:

„Männer wie Walter Bronstein dünsten ihre Erwartungen aus wie einen Geruch. Minimale Änderungen in Gestik und Mimik, subtile Aufforderungen, die einen, wenn man sie nicht zu deuten weiß, schnell aus dem engsten Kreis verdrängen. Walter spricht Bände, ohne den Mund aufzumachen.“

Aus „Blaues Wunder“ von Anne Freytag

Gleichzeitig wird deutlich, dass es zwischen den einzelnen Partnern mehr als leichte Spannungen gibt, an den Lebensentwürfen gezweifelt wird, so wie bei Franziska:

„Ich habe mal gelesen, dass das Leben das man führt, und das, das man führen will, deckungsgleich sein sollten. Bei mir liegen sie so weit auseinander, dass das eine von der Existenz des anderen nichts weiß.“

Aus „Blaues Wunder“ von Anne Freytag

Die Wechsel zwischen den Erzählstimmen machen die Geschichte noch interessanter, sie geben dem Roman die nötige Tiefe, da jede Frau ihren Teil dazu beiträgt, um das Bild abzurunden. Wir erfahren, wie einzelne Szenen unterschiedlich bewertet werden, wie sich die Frauen untereinander einschätzen und dass es für alle um etwas Anderes geht.

Nach und nach baut sich die psychische Spannung unter der die Beteiligten stehen, auf. Es bleibt lange unklar, welche Rolle David spielt. Auch ist keine der Personen durchweg sympathisch, Walter ist ein Ekelpaket wie es im Buche steht und auch die anderen Protagonist*innen haben nicht nur gute Seiten. Es ist ein Kammerspiel, gut für die Bühne oder noch besser für eine Verfilmung geeignet. Intelligente Unterhaltung!

Anne Freytag hat mich förmlich in dieses Buch hineingesogen und ich konnte nicht aufhören es zu lesen. Deshalb mein Rat: lies es nicht zwischendurch, sondern reservier dir einen Nachmittag, Abend oder Vormittag, um das Buch am Stück lesen zu können, es ist die ideale Urlaubslektüre!

Über die Autorin:

Anne Freytag hat International Management studiert, wurde pünktlich zur Wirtschaftskrise fertig, keinen Job gefunden, arbeitete in einer Boutique, hat zur Grafikdesignerin umgeschult, hat sich als Quereinsteigerin mit mieser Bezahlung in diversen Agenturen anstellen lassen und ist dann endlich ihrem Traum nachgegangen: Seit 2013 widmet sie sich ganz dem Schreiben. Für ihre Jugendbücher wurde sie mehrfach für Literaturpreise nominiert und damit ausgezeichnet. Sie lebt und arbeitet in München.

Du findest sie auf Instagram oder auf ihrer Website.

Informationen zum Buch
Buchtitel: Blaues Wunder
Autorin: Anne Freytag
Erscheinungsdatum: 24.04.2024
Verlag: Kampa Verlag
ISBN: 978-3-311-10145-1

PS: Mein Buch ist ein kostenloses Leseexemplar, das mir über das mir vom Kampa Verlag über die Kommunikationsagentur ehrlich & anders  zur Vorbereitung einer Podcast-Folge mit der Autorin zur Verfügung gestellt wurde. Vielen Dank dafür und vielen Dank an Anne Freytag für das Podcast-Interview! Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.

Die Podcast-Folge des Die Bücherstaplerinnen Podcasts von Valerie Wagner und mir im Gespräch mit Anne Freytag findest du zum Beispiel auf Spotify oder Apple Podcasts. Bei Valerie auf dem Blog findest du ihre Rezension zu „Blaues Wunder“.

„The Future“ von Naomi Alderman (übersetzt von Barbara Ostrop) könnte auch etwas für dich sein, wenn dir „Blaues Wasser“ gefallen hat. Es ist ein schneller Thriller mit vielen Wendungen, der in einer nahen Zukunft spielt.

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