Aktualisiert am 1. Oktober 2023 von Antje Tomfohrde
Worum geht es in dem Buch?
Katja Oskamp startet mit Mitte 40 noch einmal neu. Sie wird Fußpflegerin und zwar nicht irgendwo, sondern in Berlin-Marzahn mitten Plattenbauwohngebiet. Ihr Kind ist ausgezogen, der Mann krank und sie möchte etwas anderes machen als erfolglos zu schreiben. Ihr Umfeld bringt ihr wenig Verständnis entgegen: „Ich erzählte zuerst niemandem von meiner Umschulungsaktion. Als ich es dann doch tat und lachend mit dem Zertifikat wedelte, schlugen mir Ekel, Unverständnis und schwer zu ertragendes Mitleid entgegen.“
Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb beginnt sie in Marzahn in einem Fußpflegesalon zu arbeiten. Sie beschreibt ihre Arbeit und erzählt die kleinen und großen Geschichten, deren Füße sie umsorgt.
Aber nicht nur die Geschichten der Kund*innen erzählt sie, auch von ihren Arbeitskolleginnen und deren Leben.
Und sie erzählt die Geschichte der Frauen, die beginnen unsichtbar zu werden in der Mitte des Lebens.
Wie hat mir „Marzahn Mon Amour“ gefallen?
„Marzahn Mon Amour“ ist eins der Bücher von meinem #12für2023-Stapel. Ich hatte Anfang des Jahres nach Buddy Read Partner*innen auf Instagram gesucht und wurde dort auch fündig. Und zwar ganz in der Nähe, hier in meiner Stadt. Zusammen mit Carola Herrmann von der Hohenlimburger Buchhandlung habe ich das Buch gelesen und mich dazu mit ihr ausgetauscht. Vielen Dank noch einmal dafür auch hier an dieser Stelle!
Das Buch lag hier schon eine ganze Weile ungelesen und ich frage mich, warum? Denn es ist ein richtig schönes Buch, das an einem Nachmittag schnell gelesen werden kann oder – um es ein bisschen mehr zu genießen – in kleinen Häppchen, Geschichte für Geschichte. Denn es sind bezaubernde, traurige und auch witzige Geschichten von Katja Oskamps Kundinnen und Kunden aus Marzahn. Die Autorin schreibt ganz liebe- und respektvoll von den Menschen, deren Füße sie pflegt.
Treffsicher beschreibt sie Gemüts- und Gefühlslage und nur ein einziges Mal schimmert ihre nicht ganz so gute Meinung durch. Sie macht aus den kleinen Geschichten der Menschen, die ihr ihre Füße anvertrauen, große Geschichten und gibt ihnen die Bedeutung, die sie für diese Menschen haben.
Auch wirft sie einen ganz anderen Blick auf Berlin-Marzahn, als das sonst gemacht wird. Sie macht es persönlicher und es werden die Menschen sichtbar, das, was man vergisst, wenn einfach nur der Begriff „Plattenbau“ gebraucht wird.
Aber es ist auch ein Buch vom Zufrieden-Werden, sich einpendeln auf einen anderen Lebensrhythmus, sich in der Unsichtbarkeit wohlfühlen bzw. sie sich auch zunutze machen. Denn, wenn du nicht wirklich wahrgenommen wirst, kannst du dich auch einfacher ausleben.
Dieser Teil des Buches ist noch einmal auf einer ganz anderen Ebene, denn das Leben in der Mitte des Lebens ist ein Umbruch und es ist nicht immer leicht, damit umzugehen. Denn diese Unsichtbarkeit ist nicht einfach an den Schriftstellerinnen-Haaren herbeigezogen, das Gefühl haben viele Frauen in dieser Zeit, in der so viel im Außen und im Innen passiert.
Das einzige Manko am Buch ist, dass es so kurz ist. Andererseits wiederum ist es genau das Richtige für einen kuscheligen Nachmittag auf der Couch. Ich wünsche dir viel Vergnügen beim Lesen!
Autorin: Katja Oskamp
Erscheinungsdatum: 7. März 2021
Verlag: Suhrkamp Verlag
ISBN: 978-3-518-47131-9
PS: Dieses Buch habe ich selbst gekauft, falls du es online bestellen möchtest und nicht bei einem der großen Online-Shops kaufen möchtest, findest du hier den Link zu meiner Stammbuchhandlung, der Hohenlimburger Buchhandlung, denn mir liegt der Erhalt der kleinen Buchhandlungen vor Ort am Herzen. #SupportYourLocalBookShop
Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.
Ein Buch, das dir auch gefallen könnte, ist „Die Eleganz des Igels“ von Muriel Barbery. Es spielt in einem typischen Pariser Wohnhaus mit acht Luxuswohnungen und einer ganz und gar nicht typischen Concierge.
Liebe Antje,
schon als du mir von diesem Buch erzählt hast, dass du es lesen wirst, war mir klar, das muss ich auch lesen! Und ich hab nicht was anderes vor – zumindest sag ich das immer meiner Flusspflegerin aka Kosmetikerin – ich schreib mit ihr ein Buch. Hin und wieder berichtet sie von süßen oder auch kuriosen Geschichten, die sie mit ihren Kund:innen erlebt. Deine Empfehlung wandert ganz sicher auf mein RuB und vielleicht auch unter den Weihnachtsbaum meiner Kosmetikerin.
Danke für die Rezension!
Liebe Grüße
Valerie
Liebe Valerie,
wie schön, da wird sich deine Kosmetikerin bestimmt freuen!
Vielen Dank für dein Feedback und viel Vergnügen beim Lesen!
Liebe Grüße
Antje