Die Geschichte des Wassers von Maja Lunde

Auf dem Bild ist das Buch "Die Geschichte des Wassers" von Maja Lunde auf einem hellen, holzähnlichen Hintergrund abgebildet. Es ist das Headerbild des Beitrags mit der Rezension des Buchs.

Aktualisiert am 21. April 2024 von Antje Tomfohrde

Klimaquartett Band 2 (übersetzt von Ursel Allenstein)

Es heißt nicht umsonst, dass Wasser Leben ist. Im zweiten Band des Klimaquartetts nimmt sich Maja Lunde auf zwei Zeitebenen der besonderen Rolle des Wassers für uns Menschen an. Welche Auswirkungen haben unsere heutigen Handlungen auf die Zukunft? Wie werden wir leben, wenn der Süden Europas austrocknet?

Worum geht es in „Die Geschichte des Wassers“?

Wie schon im ersten Teil des Klimaquartetts, „Die Geschichte der Bienen“, erzählt Maja Lunde die Handlung von „Die Geschichte des Wassers“ in verschiedenen Epochen. Der erste Handlungsstrang spielt im Jahr 2017 und beginnt in Norwegen. Signe, 70 und Umweltaktivistin, macht sich mit einer ganz besonderen Ladung an Bord ihres Segelschiffs auf den Weg nach Frankreich. In Frankreich will sie ein Hühnchen mit dem Mann rupfen, der einmal eine ganz besondere Bedeutung für sie hatte.

Der zweite Handlungsstrang spielt im Frankreich des Jahres 2041. Südeuropa hat aufgrund langanhaltender Dürre kaum noch Trinkwasser für die Menschen, die dort leben. Es bleibt ihnen nur eines: die Flucht in den Norden, dorthin, wo es Wasser, Nahrung und die Hoffnung auf Leben gibt. David ist mit seiner kleine Tochter Lou aus der Stadt Argelès in Südfrankreich vor einem Feuer geflohen. Der Plan war, dass er seine Frau mit dem kleinen Sohn in einem Flüchtlingslager trifft und die Familie dann wieder vereint ist.

Signes Geschichte beginnt mit ihrer Rückkehr in den norwegischen Ort, in dem sie geboren wurde. In ihrem Geburtsort passiert Unglaubliches:

„Sie holen Eis aus dem Gletscher, reines, weißes Eis aus Norwegen, und vermarkten es als das Exklusivste, was man in seinen Drink geben kann, einen schwimmenden Mini-Eisberg, eingetaucht in goldenen Schnaps, aber nicht für norwegische Kunden, nein, für jene, die es sich wirklich leisten können. Das Eis soll in die Wüstenstaaten transportiert und dort, in der Heimat der Ölscheichs, an die Reichsten der Reichen verkauft werden, als wäre es Gold, weißes Gold.“

„Die Geschichte des Wassers“ von Maja Lunde

Im Laufe des Buches wird erzählt, wie der an einem Fjord gelegene Ort reich wurde. Die Kraft des Wassers schenkte der Gemeinde Wohlstand, in Signes persönlicher Geschichte bedeutete diese Entwicklung des Ortes ein Ende der Familie, wie sie sie kannte, denn ihre Eltern trennten sich. Auch begann dadurch ihr Engagement als Umweltaktivistin und es führte irgendwann zum Verlust ihrer großen Liebe. Man versteht, warum sie handelt, wie sie handelt.

David und Lou werden im Flüchtlingslager aufgenommen, jeden Tag fragen sie nach Neuankömmlingen, sie warten auf die Mutter und den Bruder. Auf einem Spaziergang in der Nähe des Lagers entdecken sie eines Tages in einem Garten ein altes Segelboot. Es wird zu einem Anker, einem Zufluchtsort in der Zeit des Wartens, in der Zeit, in der alles immer hoffnungsloser wird.

Wie hat mir das Buch gefallen?

„Die Geschichte des Wasser“ hat mich von der ersten Zeile an gepackt. Maja Lunde beschreibt Wasser so eindringlich, die Fülle des norwegischen Fjords und den Mangel im Süden Europas. Es beginnt mit folgendem Satz:

„Nichts hielt das Wasser auf, man konnte es den Berg hinab zum Fjord verfolgen; vom Schnee, der aus den Wolken fiel und sich auf die Gipfel legte, bis zum Dampf, der aus dem Meer aufstieg und wieder zu Wolken wurde.“

„Die Geschichte des Wassers“ von Maja Lunde

Für mich zeigt dieser Satz schon, dass wir nicht Herr oder Herrin über die Natur und schon gar nicht über das Wasser werden können. Es zeigt schon die Hybris, die wir an den Tag legen und die Menschen aus dem Dorf, aus dem Signe stammt, zeigen, als sie den Fluss einfach verlegen.

Es ist kein leichtes Buch, es ist ein düsteres Buch, eine düstere Dystopie. Signe blickt zurück auf ihr Leben und es ist kein Blick auf ein erfolgreiches Leben. Sie und die anderen Aktivist*innen haben gekämpft und die Enttäuschung darüber, dass sie die Menschen nicht zum Zuhören, zum Ändern ihres Verhaltens bewegen konnten, wird klar. Auch David blickt zurück, er weiß, dass es nicht realistisch ist, zu glauben, dass er Frau und Sohn jemals wiedersieht, er sorgt sich um Lou, die einfach nicht Kind sein darf und kann. Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, was wird aus seinem Kind? Kann er Lou eine Zukunft bieten?

Das Boot bedeutet eine Auszeit für David und Lou vom Flüchtlingslager und der Auszeit. Lou spielt dort endlich wieder wie ein Kind. Doch dann wird es ungemütlich im Lager, die Essensrationen werden immer gekürzt, das Wasser rationiert und letztendlich wird das Lager nicht mehr versorgt.

„Wenn ich einschlief, dachte ich an Wasser. Mit trockener Zunge. Ich versuchte, durch die Nase zu atmen, um nicht mehr Speichel zu verbrauchen als nötig.“

„Die Geschichte des Wassers“ von Maja Lunde

Dieses Buch ist unglaublich eindringlich und eines der wenigen Bücher, bei denen ich am Ende Rotz und Wasser geheult habe, weil es mich so berührt hat. Es ist die Kombination aus den Gefühlen von Signe, die verzweifelt ist, weil sie nicht das erreichen konnte, was sie wollte mit ihrem Kampf und die tiefe Verzweiflung und Traurigkeit aus dem Teil der Geschichte, die in der Zukunft spielt.

Maja Lunde gelingt es, mit der Gegenüberstellung der kühlen, erfrischenden Beschreibungen von Wasser und der unerträglichen Hitze und Trockenheit, die Dürre zu spüren.

„Wenn ich einschlief, dachte ich an Wasser. Mit trockener Zunge. Ich versuchte, durch die Nase zu atmen, um nicht mehr Speichel zu verbrauchen als nötig.“

„Die Geschichte des Wassers“ von Maja Lunde

Dies ist die Zukunft, die uns bevorsteht, wenn wir jetzt nichts tun, um wenigstens noch das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, um die Erderwärmung darauf zu beschränken. Schon heute ist es in Deutschland nicht mehr so, dass wir das Wasser fröhlich verschwenden könnten, den Rasen auch bei Temperaturen über 30 Grad bewässern können, um ihn grün zu halten und doch wird es immer noch gemacht. Nach dem Lesen dieses Buchs stelle ich mir immer häufiger die Frage, ob wir es wirklich erst kapieren, wenn wir es nicht mehr ändern können, auch wenn ich glaube, dass wir noch die Kurve kriegen werden.

Wenn du „Die Geschichte der Bienen“ gelesen hast, lies auch oder gerade „Die Geschichte des Wassers“. Es ist kein leichtes Buch, aber ein wichtiges. Wenn wir wir nicht mehr genügend Wasser haben, sind wir am Arsch.

„Wasser hat keine eigene Farbe, es ist die Welt ringsherum, die ihm seine Farbe verleiht, die Spiegelung des Himmels, der Umgebung, Wasser ist nie einfach nur Wasser.
Wasser nimmt alles auf und wirbelt um alles herum, mit dem es in Berührung kommt.
Wasser ist Humus, Sand, Lehm, Plankton.
Wasser färbt sich vom Boden, den es bedeckt.
Wasser spiegelt die Welt.“

„Die Geschichte des Wassers“ von Maja Lunde
Informationen zum Buch
Buchtitel: Die Geschichte des Wassers
Autorin: Maja Lunde
Übersetzerin: Ursel Allenstein
Verlag: btb Verlag
Erscheinungsdatum der deutschen Ausgabe: 10. Juni 2019
ISBN: 978-3-442-71831-3

PS: Dieses Buch ist selbst gekauft, falls du online bestellen möchtest und nicht bei einem der großen Online-Shops kaufen möchtest, verlinke ich hier auf meine Stammbuchhandlung, die  Hohenlimburger Buchhandlung, denn mir liegt der Erhalt der kleinen Buchhandlungen vor Ort am Herzen. #SupportYourLocalBookShop

Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.

Die anderen Teile des Klimaquartetts von Maja Lunde habe ich auch gelesen. Hier findest du meine Meinung zu Band 1 des Klimaquartetts „Die Geschichte der Bienen“, zu Band 3 „Die Letzten ihrer Art“ und Band 4 „Der Traum von einem Baum“.

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