Aktualisiert am 21. April 2024 von Antje Tomfohrde
Klimaquartett Band 1 (übersetzt von Ursel Allenstein)
Welche große Bedeutung Insekten, insbesondere die Bienen für unser Überleben haben, müsste mittlerweile so ziemlich jede und jeder begriffen haben, oder? Maja Lunde hat einen Roman darüber geschrieben, was das Verschwinden der Bienen für Auswirkungen haben kann. „Die Geschichte der Bienen“ ist der erste Teil des Klimaquartetts, in dem sie sich in jedem Band einem anderen Thema annimmt, dass den Klimawandel betrifft. Das Klimaquartett ist einer der wichtigsten Repräsentanten der sogenannten Climate Fiction.
Wovon handelt das Buch?
Maja Lunde baut ihr Buch „Die Geschichte der Bienen“ auf drei Erzählsträngen auf. Es handelt sich um drei Familien, drei Protagonist*innen und ihrer Verbindung zu den Bienen. Drei Geschichte in verschiedenen Zeiten – der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.
Da ist einmal der Biologe und Samenhändler William Savage im England des 19. Jahrhunderts. Es ist das Jahr 1852 und William ist ans Bett gefesselt, schafft es nicht aufzustehen, er hat sich im Laufe der Jahre selbst verloren und aufgegeben. Doch dann kommt wie durch ein Wunder seine alte Leidenschaft zur Biologie zurück und er hat eine Idee, die die Bienenzucht und -forschung revolutionieren könnte. William hängt sich richtig rein und entwickelt einen völlig neuartigen Bienenstock.
Im Jahr 2007 beginnt der zweite Erzählstrang. Maja Lunde nimmt uns mit in die USA, nach Ohio. Der Imker George hofft darauf, dass er seinen Sohn Tom noch davon überzeugen kann, den elterlichen Betrieb zu übernehmen und sich nicht dem Journalismus zuwendet. George hat ordentlich zu kämpfen, einzig eine Vergrößerung und eine gewisse Automatisierung scheinen die Lösung zu sein, um weiterhin im Imkergeschäft bestehen zu können, obwohl dies nicht seinem Verständnis vom Imkersein entspricht.
Der dritte Handlungsstrang führt uns in Jahr 2098. Es geht nach China und die kleine Familie der Arbeiterin Tao steht im Mittelpunkt der Geschichte. Die Menschen in dieser Zukunft müssen die Obstbäume und Pflanzen selbst bestäuben, die Bienen sind verschwunden. Es ist eine mühselige Arbeit und das Leben auf der Erde hat sich sehr geändert. Es gab den großen Kollaps, Krieg und auf allen Seiten nur Verlierer.
„Achtjährige an diesem Ort, tagein und tagaus, steif gewordene kleine Körper in den Bäumen. Nicht mal eine Kindheit war ihnen vergönnt, wie mir und meiner Generation, denn wir hatten in die Schule gehen dürfen, bis wir fünfzehn gewesen waren. Es war kein Leben.“
„Die Geschichte der Bienen“ von Maja Lunde
An einem freien Tag macht die kleine Familie einen kleinen Ausflug mit Picknick und plötzlich hat Taos Sohn Wei-Wen einen Unfall und alles wird anders.
Wie hat mir „Die Geschichte der Bienen“ gefallen?
Mit dem Buch „Ein Traum von einem Baum“ wird Maja Lunde ihr Klimaquartett abschließen. Und da es jetzt bald erscheint, ist es Grund genug für mich, mir die einzelnen, in sich abgeschlossenen Bände noch einmal vorzunehmen. „Die Geschichte der Bienen“ ist der erste Teil und behandelt das Thema des Bienen- bzw. Insektensterbens und der Auswirkungen auf uns und unsere Nahrungsversorgung.
Wir brauchen uns nichts vormachen, ohne die Bienen und die anderen Insekten, die die Pflanzen bestäuben, sind wir ziemlich am Arsch. Klar, wir werden bestimmt weitere Methoden zusätzlich zur Handbestäubung durch den Menschen entwickeln, zum Beispiel mit Hilfe von Drohnen. Aber es ist Fakt, dass dies alles mühselig und sehr kostspielig ist und bedeutet, dass wir mit unserer Art der Landwirtschaft, die viele Pestizide nutzt, viel kaputt gemacht haben und noch immer machen. In China ist die Handbestäubung schon in einigen Regionen an der Tagesordnung. Und wer meint, dass das nicht schwierig ist, soll sich einmal überlegen, wo denn die ganzen Pollen herkommen, die dafür gebraucht werden.
„Wie verwachsene Vögel balancierten wir auf unseren Ästen, das Plastikgefäß in der einen Hand, den Federpinsel in der anderen.“
„Die Geschichte der Bienen“ von Maja Lunde
Was beim Lesen des Buchs klar vor Augen geführt wird, ist, dass wir auf dem Weg sind, durch unser Profitdenken den Kontakt zur Natur und auch zu uns selbst zu verlieren. Anstatt einen Schritt zurück zu gehen und zu überlegen, an welcher Stelle wir falsch abgebogen sind, machen wir weiter und straffen den Prozess der Bestäubung durch die Bienen weiter. Transportieren die Bienenvölker über viele hundert Kilometern von einem Ort zum anderen und gönnen ihnen teilweise keine Ruhe. Dies hat mich wirklich erschrocken, wusste ich bislang noch nichts davon. Überhaupt habe ich sehr viel über Bienen durch dieses Buch gelernt.
„Ohne die Bienen lagen mit einem Mal tausende Hektar bewirtschafteter Felder brach. Blühende Büsche ohne Beeren, Bäume ohne Obst. Plötzlich wurden landwirtschaftliche Erzeugnisse, die früher alltäglich gewesen waren, zur Mangelware: Äpfel, Mandeln, Apfelsinen, Zwiebeln, Brokkoli, Karotten, Blaubeeren, Nüsse und Kaffeebohnen.“
„Die Geschichte der Bienen“ von Maja Lunde
Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Wenn die Futterpflanzen nicht mehr bestäubt werden, geht auch die Produktion von Fleisch und Milch zurück, alles wird weniger und komplizierter. Maja Lunde beschreibt eindringlich, wie es so zu einem weltweiten Kollaps kommen konnte in einer nicht so weit entfernten Zukunft.
Und wie immer gibt es diejenigen, die überlegen, was sie machen können, um diesen Prozess aufzuhalten, damit wir die Bienen nicht verlieren, aber noch sind sie in der Minderheit. Es ist eines dieser Probleme, das nicht sofort sichtbar wird. Es wird zwar häufig darüber geschrieben und jede von uns wird schon ein Tütchen mit „Bienenbüffet“ verstreut haben, aber das bekämpft nur die Symptome, nicht die Ursachen. Ändern wir etwas an unserer Landwirtschaft, am System, an unserer Art zu leben?
Maja Lunde gelingt es, darauf aufmerksam zu machen, in dem sie Geschichten von Menschen erzählt. William, der Biologe und unfreiwillige Samenhändler, denn irgendwie muss er ja seine immer größer werdende Familie ernähren, der nichts lieber machen möchte, als sich dem Studium der Insektenvölker zu widmen, es aber nicht so kann, wie er möchte. Gleichzeitig ist er ein Mann geprägt durch seine Zeit, der Erstgeborene und einzige Sohn soll in seine Fußstapfen treten, ob das eine gute Wahl ist? Sein Leben ist durch Demütigungen und Depression geprägt, er steht nicht auf der Seite der Gewinner.
George wäre eigentlich glücklich mit seinem Leben als Imker, wenn er nur ausreichend damit verdienen könnte und würde weiter den alten Weg gehen. Sein Traum ist es, weiterhin die sogenannten Bienenbeute selbst zu bauen, den Völkern nur wenige Reisen zuzumuten und sie im Rhythmus der Natur leben zu lassen. Dieser Traum beginnt ins Wanken zu geraten, als sein Sohn Tom studiert und es so aussieht, dass er nicht wieder zurück in den elterlichen Betrieb kommt. Er zergelt an seinem Sohn Tom herum, hat wenig Zugang zu ihm und dann kommt das Bienensterben und alles wird unglaublich kompliziert. Die Sorgen werden gut herausgearbeitet von der Autorin, man fühlt die innere Zerrissenheit von George.
„Meine Bienenstöcke standen wieder auf der Wiese, im Wald und am Wegesrand, wo Tom sie anscheinend am liebsten sah. Abgesehen davon, dass er auch dort eigentlich nichts mit ihnen zu tun haben wollte.“
„Die Geschichte der Bienen“ von Maja Lunde
Tao lebt im China der Zukunft und Maja Lunde beschreibt es so, dass China noch gut weg kommt, dadurch dass dort schon früh die Bestäubung durch Menschen übernommen wurde. Aber es ist ein karges Leben, geprägt durch Hunger und existentielle Nöte. Es bleibt wenig Zeit für ein Leben außerhalb der Nahrungsmittelproduktion. Eine düstere Zukunft, die gemalt wird. Das Leben in dieser Zukunft ist ganz anders als das, was wir jetzt leben. Es ist eine dystopische Welt und es gibt ein paar Ungereimtheiten in der Ausmalung dieser Zukunft, die ich aber unter dichterischer Freiheit verorte.
Maja Lunde nutzt klare, einfache Sätze und schafft es trotzdem oder gerade deshalb die Leserin und den Leser in den Bann der Geschichte oder besser der Geschichten zu ziehen. Die Erzählungen sind nicht nur die Geschichte der Bienen, sondern auch die Geschichte dreier Eltern und ihrer Sorgen um ihren Nachwuchs. Zeigt sie auch, wie sich Erziehung geändert hat, wie sich die Gesellschaft gewandelt hat, aber sie zeigt auch, was gleich bleibt und was schwer für Eltern aller Zeitalter ist. Kinder treten nicht unbedingt in die Fußstapfen ihrer Eltern und oftmals ist es ein schwerer Prozess für die Eltern, dies zu verstehen. Eltern sorgen sich und machen sich Gedanken um ihre Kinder.
Genauso gut wird auch das Hauptthema des Buches herausgearbeitet und vor Augen geführt. Durch den Blick in eine dystopische Zukunft macht Maja Lunde klar, wo unser Weg hingeht, wenn wir jetzt nicht die Kurve bekommen und etwas ändern. Dadurch, dass zum Beispiel in China sondern die Handbestäubung gang und gäbe ist, dass es ein auf allen Kontinenten zu beobachtendes Insektensterben zu beobachten gibt, kann der Transfer in die Realität gemacht werden und wir können Schlüsse ziehen bzw. die Handbremse. Die Frage ist, ob wir dies auch tun werden. Werden wir die richtigen Schlüsse ziehen? Es geht um die Zukunft der nächsten Generationen und damit um das Thema, das Eltern sich Sorgen um ihre Kinder machen.
Es gibt ein paar Schwächen im Buch. So verbinden sich die Handlungsstränge am Ende, es ist für die Lesenden recht schnell klar, was mit Taos Kind ist, ändert aber an der Message des Buches nichts und deshalb empfehle ich es aus ganzem Herzen! Maja Lunde hat mit „Die Geschichte der Bienen“ einen Roman geschrieben, der eine Handlungsaufforderung ist, ein Aufruf, dass wir etwas ändern müssen!
„Doch Bienen kann man nicht zähmen. Man kann sie nur pflegen, ihnen Fürsorge geben.“
„Die Geschichte der Bienen“ von Maja Lunde
Hast du „Die Geschichte der Bienen“ oder ein anderes Buch aus dem Klimaquartett schon gelesen? Was denkst du darüber?
Autor: Maja Lunde
Übersetzerin: Ursel Allenstein
Verlag: btb Verlag
Erscheinungsdatum der deutschen Ausgabe: 20.03.2017
ISBN Taschenbuch: 978-3-442-71741-5
PS: Dieses Buch ist selbst gekauft, falls ihr online bestellen möchtet und nicht bei einem der großen Online-Shops kaufen möchtet, verlinke ich hier auf meine Stammbuchhandlung, die Hohenlimburger Buchhandlung, denn mir liegt der Erhalt der kleinen Buchhandlungen vor Ort am Herzen. #SupportYourLocalBookShop
Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.
Das Klimaquartett besteht – logisch – aus vier Teilen. Wenn du wissen möchtest, welcher Themen sich Maja Lunde noch annimmt und ob sie das hohe Niveau halten kann, findest du hier Band 2 „Die Geschichte des Wassers“, Band 3 „Die Letzten ihrer Art“ und Band 4 „Der Traum von einem Baum“.