Aktualisiert am 18. November 2021 von Antje Tomfohrde
Der zehn Jahre ältere Freund möchte eine Familie gründen, aber was möchte seine Freundin? Weiterhin das leichte Leben mit ihrer Affäre und Zufallsbekanntschaften ohne Verpflichtungen oder auch eine Familie und Verantwortung? Vor diese Fragen sieht sich die Protagonistin in „Unterwasserflimmern“ gestellt. Was wird sie tun?
Worum geht es in „Unterwasserflimmern“?
Mit Ende 20, Anfang 30 gibt es oft einen Umbruch im Leben. So auch bei der namenlosen Hauptperson des Buchs. Ihr zehn Jahre älterer Lebensgefährte Emil findet, dass er ihr genug Zeit gegeben hat und dass es jetzt losgehen kann mit der Umsetzung der Familienplanung. Er will ein Haus, ein Kind und ein Familienleben.
Seine Lebensgefährtin stürzt dieses Vorhaben in eine Krise. Will sie das auch? Ein Kind, Verantwortung, ihr Leben, so wie sie es kennt, aufgeben und sich festlegen, verbindlich sein? Bislang lebt sie außerhalb der Beziehung mit Emil noch ein anderes Leben, sie hat einen verheirateten Liebhaber, Leo und nimmt ansonsten den ein oder anderen One-Night-Stand mit ohne großartig darüber nachzudenken.
Dies alles wäre für sie mit einem Schlag vorbei, sie müsste mehr oder überhaupt Verantwortung übernehmen, sich festlegen. Will sie das? Und will sie das mit Emil? Ist Emil der, mit dem sie das will? Irgendwann wird es zu viel, sie begibt sich auf eine Reise, von der wir als Leser:innen nicht erfahren, wo sie genau ist. Es ist auch nicht wichtig die genauen Orte zu kennen, es geht mehr um ihre Reise zu einer Erkenntnis oder zu sich selbst.
Sie lebt mehr oder weniger in den Tag hinein, lernt neue Menschen kennen, die sie weiterbringen und lebt ihren inneren Konflikt aus und ergründet weiter, wo sie hin möchte in Zukunft, wo sie hingehören will.
Wie hat mir es mir gefallen?
„Unterwasserflimmern“ wurde im virtuellen Buchtreff Bücherbar ausgewählt, als es um das Monatsmotto Wasser ging. Vermutlich wäre ich sonst nicht auf dieses Romandebüt aufmerksam geworden. Zum Besprechungstermin hatte ich es noch nicht ganz beendet und wusste aufgrund der teilweise sehr direkten und auch ins Vulgäre abgleitenden Sprache nicht, was ich davon halten sollte. Dies stieß mir auf und da war ich nicht die einzige.
Im Gespräch wurde ich dann allerdings doch hellhörig, es ging bei der Protagonistin nicht nur um ihre jetzige Beziehung und die Frage, ob sie ein Kind haben wollte. Es ging noch tiefer, noch weiter zurück in ihre eigene Vergangenheit, zurück zu ihrem Vater und ihrer Beziehung zu ihm. Also beschloss ich, das Buch noch einmal zu lesen und dieses Mal noch mehr auf die Zwischentöne zu achten und nicht nur das Offensichtliche zu lesen. Und das hat sich gelohnt.
Zum einen glänzt Katharina Schaller auch mit einer ganz besonders schönen Sprache außerhalb der Sexbeschreibungen. Der innere Konflikt der Hauptfigur z. B. wird ganz besonders beschrieben und steht in großem Widerspruch zur oft derben, eher männlich wirkenden Sprache, wenn es um Sex geht. Das ist auch gleichzeitig grandios als Stilmittel gewählt. Es beschreibt den Bruch dieser Person. Auf der einen Seite ist sie auf einer inneren Reise zu sich selbst und auf der anderen Seite lebt sie ein flüchtiges Leben aus, sie hat eine feste Affäre und nimmt noch ein paar weitere mit.
Sie stellt alles infrage und dies macht das Buch aus. Es provoziert, andererseits fühlt man mit ihr mit und spürt diese Zerrissenheit. Nachdem ich es fast beendet hatte, habe ich noch einmal mit Mareike Lüken darüber gesprochen und auch in diesem Gespräch wurde noch mehr klar für mich. Beim ersten Lesen wirkte vieles so, als ob es um eine oberflächliche junge Frau ging, nach dem zweiten Blick war klar, dass es das mit Sicherheit nicht ist. Und dann ist da noch das Ende, über das ich jetzt aber aus verständlichen Gründen nichts sage. Es lässt einen noch einmal ganz anders zurück und die Gedankenspirale beginnt erneut.
Alles in allem ein Buch, das es einem nicht leicht macht, aber ein Buch, das auch beim Lesen mehr Tiefe braucht und das ich gerne weiterempfehle, vorausgesetzt, man ist bereit, sich darauf einzulassen. Dann ist „Unterwasserflimmern“ ein ganz besonderes Buch.
Ich bin gespannt auf eure Meinung zum Buch. Habt ihr es schon gelesen?
Autorin: Katharina Schaller
Verlag: Haymon Verlag
Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-7099-8130-6
Das Buch ist selbst gekauft und selbst gelesen. Da mir der Erhalt der kleinen Buchhandlungen am Herzen liegt, verlinke auf die Hohenlimburger Buchhandlung, das Buchgeschäft in meinem Heimatort. Dort habe ich auch „Unterwasserflimmern“ gekauft.
Ein Buch, in dem es auch um ähnliche Fragen und um Zerrissenheit geht, ist „Was Nina wusste“ von David Grossman. Vielleicht gefällt es dir ja auch so gut wie mir.
Hallo Antje, ich habe es noch nicht gelesen, es steht aber seit langer Zeit auf meiner Wunschleseliste. Deine Rezension macht mich jetzt sehr neugierig.
Zeilentänzerin
Liebe Zeilentänzerin,
da bin ich schon ganz neugierig, wie deine Meinung zu dem Buch sein wird und ob du nur einen Durchlauf oder auch zwei brauchst.
Liebe Grüße
Antje
Hallo Antje, ich werde auf jeden Fall berichten =)