Aktualisiert am 12. August 2023 von Antje Tomfohrde
Irgendwie möchte die Iglhaut nur ihre Ruhe. Ruhe, um zu arbeiten und Ruhe, um in Ruhe zu leben. Und doch ist sie mitten im Leben ihrer Hausgemeinschaft und die Hausgemeinschaft mitten in ihrem Leben. Wie passt das mit ihrer Freiheitsliebe und ihrer Sehnsucht nach Ruhe zusammen?
Worum geht es in „Iglhaut“?
Iglhaut, eine Romanheldin wider Willen – eigentlich möchte sie nur in Ruhe arbeiten und vor sich hinleben. Es kommt anders – wie so oft.
Da Uli aus dem zweiten Stock, rechts, nicht den ersehnten Mixer bei einem Preisausschreiben gewonnen hat, sondern eine Reise nach Ägypten, tritt die Iglhaut die Reise an. Denn Valeria aus dem zweiten Stock, links, war der Meinung, dass so eine Reise für zwei auch von zweien angetreten werden sollte. Nur Uli fiel kurzfristig aus, so dass die Iglhaut allein ins Land der Pharaonen reiste, was ihr am Ende nicht so recht gefiel.
So stolpert die Heldin der Geschichte, die Iglhaut, durchs Leben der Hausgemeinschaft und durch ihr eigenes Leben. Ein bisschen eigenwillig bis eigenbrötlerisch, immer knapp bei Kasse, ein bisschen verschroben, aber doch sympathisch, so wirkt sie. Ihre Werkstatt, eine kleine Schreinerei, hat sie direkt im Hof des Miethauses und hofft immer auf den nächsten Auftrag, der sie über Wasser hält.
Harte Schale, weicher Kern – so wirkt sie. Nach der Reise beißt sie förmlich in die nächste Katastrophe, die die weitere Handlung des Buches in Gang bringt. Zum Glück findet sich auch ein weiterer Auftrag, auch wenn es der Iglhaut schwer fällt, diesen anzunehmen, aber nach dem Genuss der Lasagne ihres Vaters braucht sie Geld.
Und so geht es immer weiter in dem Buch. Die Gedanken der Protagonistin und das, was dann tatsächlich um sie herum passiert. Denn irgendetwas passiert eigentlich immer und die Iglhaut ist immer ganz nah dran am Geschehen.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Das Buch war mir in der Verlagsvorschau sofort aufgefallen, die Beschreibung der Hauptperson klang einfach gut, schön verschroben: „Sie hat eine Vorliebe für Whiskey-Cocktails und alte Sozialdemokratinnen, hat schlechte Backenzähne, Geldprobleme und ein Talent für den Umgang mit Holz: Iglhaut, die im Hinterhof eines Mietshauses ihre Schreinerwerkstatt unterhält. Die freiheitsliebende Iglhaut, die sich immer wieder – ohne eigenes Zutun und definitiv gegen ihren Willen – in nachbarschaftliche Angelegenheiten verstrickt.“
Und genau so ist es dann auch im Buch. Die Iglhaut stolpert von einer Geschichte in die nächste und gleichzeitig liest man in ihren Gedanken, eine faszinierende Kombination. Denn einerseits ist sie abweisend und mürrisch und andererseits gleichzeitig geradezu fürsorglich und kümmert sich um jeden und alles. Selbst ihre Hündin, die Kanzlerin, passt einfach zu ihr, auch sie ein Freigeist, die vegetarisch lebende Hundedame.
So abweisend sie auch wirken möchte, gerade das macht das Liebenswerte an ihr aus, genauso wie die Komposition aus den Hausbewohnern und den zusätzlichen Akteuren und Akteurinnen, das Bild stimmig abrunden. Ein buntes Sammelsurium aus den verschiedensten Menschentypen, die sich in einem Mietshaus finden und mehr oder weniger gut zusammenleben.
Katharina Adler gelingt es gut, die kleinen Macken und Vorlieben der Menschen in diesem Haus zu beschreiben und die Verbindung jeder einzelnen Person zur Iglhaut zu knüpfen, damit am Ende ein rundes Gesamtbild entsteht. Die Figuren sind gut ausgemalt und als Leserin entwickelt man entweder Sympathie oder eine Abneigung, es ist ausgewogen, wie im wahren Leben. Es ist schön zu lesen, wie sie zwar alle übereinander reden, aber zum großen Teil auch füreinander da sind. Das gibt dem Buch etwas Leichtes, Liebevolles.
Es ist ein schönes Buch, in dem die Menschen, die ganz normalen Menschen, diese eine Hausgemeinschaft und ihre kleinen und großen Sorgen und ihr Zusammenleben die Hauptrolle spielen. Auch sprachlich überzeugt es mit einer besonderen Art, Sätze zu bilden und zu erzählen. Mein erster Eindruck beim Durchlesen der Vorschau hat sich bestätigt und ich empfehle es gerne weiter an diejenigen, die so wie ich die leiseren Geschichten lieben.
Es gibt auf YouTube ein schönes Video, in dem Katharina Adler aus „Iglhaut“ liest und erzählt, wie sie zu dieser Romanfigur und zur Idee dieses Romans gefunden hat. Ich verlinke es hier einmal, dann kannst du dir schon einmal einen kleinen Eindruck verschaffen:
Autorin: Katharina Adler
Verlag: Rowohlt Verlag
Erschienen: 12. April 2022
ISBN: 978-3-498-00256-5
PS: Mein Buch ist ein kostenloses Rezensionsexemplar (unbezahlte Werbung), welches mir vom Rowohlt Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Herzlichen Dank hierfür! Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.
Wenn dir „Iglhaut“ gefallen hat, könnte auch „Die Eleganz des Igels“ von Muriel Barbery etwas für dich sein.