Aktualisiert am 28. April 2024 von Antje Tomfohrde
Leila wurde ermordet und bevor sie gänzlich verschwindet, denkt sie an die wichtigsten Momente in ihrem Leben. Wie kam sie auf die Straße, den Moment, als sie ihre große Liebe traf und wie konnte es passieren, dass sie getötet wurde?
Wovon handelt das Buch?
Leila oder besser Tequila Leila stellt fest, dass sie tot ist, was ihr gar nicht behagt, ist sie doch fest verankert in der Gegenwart. Nun liegt sie in einer Mülltonne am Stadtrand Istanbuls und überlegt, wie es dazu kommen konnte.
Dazu hat sie nicht mehr viel Zeit, denn Toten bleiben nur noch wenige Minuten, bevor sie verschwinden. So lässt Leila ihr Leben Revue passieren, kehrt zu ihrer Geburt, zu ihrer Kindheit zurück und wie sie schließlich in der Straße der Bordelle in Istanbul landete.
Ihre Gedanken kehren zurück zu den Menschen, die ihr wichtig sind, die ihre Ersatzfamilie wurden, ihr Halt, ihre fünf Freunde: Sabotage Sinan, Nostalgie Nalan, Jamila, Zaynab122 und Hollywood Humeyra. Jede*r dieser fünf hat eine besondere Bedeutung in ihrem Leben.
Neben dieser Freunden gab es auch eine große Liebe in ihrem Leben, auch an sie erinnert sich Leila und wie sie sich getroffen hatben Der Tag der Hochzeit erscheint in ihren Gedanken und die gemeinsame Zeit, die sie miteinander verbracht haben.
Und kurz vor Ablauf der Zeit erinnert sie sich an den Abend, an dem der Mord an ihr geschah.
Dann übernehmen Leilas Freunde den Fortlauf der Geschichte, um ihr einen letzten Wunsch zu erfüllen. Mit einem ungewöhnlichen Plan versuchen sie das Unmögliche möglich zu machen.
Wie hat mir „Unerhörte Stimmen“ gefallen?
Elif Shafak – schon lange hatte ich vor, endlich eines ihrer Werke zu lesen, nur warteten hier noch einige andere Bücher darauf, von mir gelesen zu werden. Und dann las ich auf Instagram bei Meike (aka @meike.29), dass sie gerne ein Buch von Elif Shafak lesen möchte. Spontan habe ich mich als Buddyread Partnerin gemeldet. Und so kam es, dass ich vor all den anderen Büchern auf meinem Stapel ungelesener Bücher „Unerhörte Stimmen“ gelesen habe. Vielen Dank für diesen Buddyread, Meike!
Schon auf den ersten Seiten hat mich die Geschichte oder vielmehr Elif Shafaks Sprache und ihre Art, eine Geschichte zu erzählen, in den Bann gezogen oder um noch einen drauf zu setzen, ich war wortverliebt ab der ersten Seite von „Unerhörte Stimmen“. Sie schreibt so herrlich ausufernd fantasievoll und gleichzeitig mit einem leicht ironischen Unterton, so dass es eine Freude ist, in die Erzählung einzutauchen. Mit ihren Worten lässt Elif Shafak einen Film im Kopf entstehen.
Eine Leiche, die noch etwas mehr als zehn Minuten hat, um sich an ihr Leben zu erinnern und wie es passieren konnte, dass sie ermordet wurde. Jedes Kapitel beginnt mit einer Erinnerung Leilas, einem Geruch oder einem Geschmack und dann erzählt sie über einen wichtigen Abschnitt in ihrem Leben. Gleichzeitig beschreibt sie das Leben in der Türkei zu Leilas Lebzeiten. Man erfährt ganz viel über den zu dieser Zeit verbreiteten Aberglauben. So wird von Leilas Mutter erzählt, dass sie z. B. während der Schwangerschaft mit ihr keine Pfirsiche berührt hat, damit ihr Baby nicht mit Flaum bedeckt zur Welt kam. Und das ist nur ein Beispiel dafür.
Es tat beim Lesen weh, was Leila schon als Kind und Jugendliche erleben musste und hier war es gut, dass ich mich mit Meike dazu austauschen konnte. Leila musste einiges aushalten und wurde zuhause nicht gerade von Wärme umhüllt. Für die Wärme in ihrem Leben waren dann ihre fünf Freunde zuständig. Und das ist ein weiterer Punkt, der die Geschichte so lesenswert macht, diese besondere Freundschaft, die diese Menschen verbindet. Sie sind alle außerhalb der gesellschaftlichen Norm, unerhörte Stimmen, ein erstes Band, dass sie miteinander verknüpft. Und ihre Freundschaft zu Leila ist ein weiteres Band ihrer Beziehung. Sie bilden eine Art Familie und geben Leila, aber auch einander Halt.
Sie versuchen mit allem, was ihnen zur Verfügung steht, Leila angemessen die letzte Ehre zu erweisen. Und der Teil des Buches, in dem dies beschrieben wird, ist natürlich ernst, aber auch so abstrus, dass ich einige Male laut lachen musste. Überhaupt gelingt es Elif Shafak in „Unerhörte Stimmen“ Lachen und Weinen zu verbinden, ohne dass es kitschig wird. Die Stadt Istanbul wird bei aller Zuneigung, die die Autorin offensichtlich zu dieser Stadt hat, nicht verherrlicht, sondern ganz ehrlich und wunderbar verrückt beschrieben mit ihren guten und weniger guten Seiten.
Genauso beschreibt sie die Menschen und ihre Geschichten, vom Leben gezeichnet, bekommt jede Person im Roman, eine gelungene Beschreibung, die sie für die Lesenden nicht nur sichtbar, sondern auch fühlbar macht. Ein ganz wunderbares Buch!
Autorin: Elif Shafak
Übersetzerin: Michaela Grabinger
Verlag: Kein & Aber AG
Erschienen: Erstveröffentlichung Mai 2019
ISBN: 978-3-0369-6109-5
PS: Dieses Buch ist selbst gekauft und ich verlinke auf meine Buchhandlung hier vor Ort in Hohenlimburg, die Hohenlimburger Buchhandlung. Dort kann auch online bestellt werden, was auf jeden Fall eine Alternative zu den großen Online-Händlern ist. #SupportYourLocalBookShop
Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.
Ein weiteres Buch von Elif Shafak, dass ich dir empfehlen möchte, ist „Ehre“. Vielleicht verschlingst du es genauso, wie ich es getan habe.