Eine Liebe, in Gedanken von Kristine Bilkau

Buchcover "Eine Liebe, in Gedanken"

Aktualisiert am 19. Januar 2022 von Antje Tomfohrde

„Eine Liebe, in Gedanken“ – dieser Titel löst vermutlich in jedem ein anderes Gefühl aus. Für die einen ist es die Erinnerung an eine unerreichbare, heimliche Liebe, aus der nie etwas geworden ist und für die anderen vielleicht eine Erinnerung an etwas, das nie das Stadium der Freundschaft verlassen hat, obwohl man es gehofft hat. Und dann gibt es noch dieses Buch.

Wovon handelt das Buch?

Die Geschichte, die erzählt wird, ist die Geschichte von Edgar und Toni, die in den sechziger Jahren ein Liebespaar waren. Sie wird nicht von Edgar oder von Toni erzählt, sondern von Tonis Tochter nach Tonis Tod und zwischendurch mit Fetzen der Gegenwart und dem Leben nach der Edgar-Zeit gefüllt.

Edgar und Toni lernen sich 1964 kennen und werden schnell ein Liebespaar. Für Toni ist Edgar wohl „der“ Mann. Sie erleben eine wunderschöne, glückliche Zeit miteinander, obwohl es etwas gibt, das schon ein wenig Unheil verkündet. Das Unheil kommt für Toni aber an dem Tag, als ihr Edgar erklärt, dass das Unternehmen, bei dem er beschäftigt ist, ihn nach Hongkong schicken wird. Edgar soll dort ein Büro aufbauen. Toni findet die Idee toll, das hatte sie ihm schon einmal in einem ihrer vorherigen Gespräche gesagt und würde sofort mitgehen, so abenteurerlustig und verliebt wie sie ist.

Wie selten passiert es, dass man jemanden trifft, der einen versteht und keine falschen Fragen stellt.<span class="su-quote-cite">Kristine Bilkau, Eine Liebe, in Gedanken</span>

Es kommt, wie es kommen muss, Edgar reist allein nach Hongkong und hier beginnt die Liebe, in Gedanken. Toni kommt ihr komplettes Leben nicht ganz von Edgar los und es beeinflusst jede ihrer Beziehungen. Sie heiratet mehrere Male, zieht häufiger um und wirkt rastlos. Nach ihrem Tod arbeitet ihre Tochter diese Lebensgeschichte ihrer Mutter und irgendwie auch einen Teil ihrer eigenen Lebenssgeschichte in Gedanken auf.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Ich habe ein bisschen gebraucht, bis ich mich entschieden hatte, wie ich das Buch finde. Die Liebesgeschichte hat mich unglaublich wütend gemacht, ich habe richtig gespürt, wie verletzt Toni gewesen sein muss und wie der gesellschaftliche Druck damals war und das hat mich noch wütender gemacht. Es gibt eine Szene, in der Toni beim Gynäkologen ist und die Anti-Baby-Pille verschrieben haben möchte und das beschreibt sehr gut, was es für eine Zeit war und wie wenig Frauen zu sagen hatten, wie schwer es war, die Pille zu bekommen. Sie stand einer unverheirateten Frau, die noch keine Kinder hatte, einfach nicht zu.

Nachdem sich meine Wut etwas gelegt hatte, habe ich mich mit der Beziehung von Toni und ihrer Tochter beschäftigt und das hat mich versöhnt. Ihre Tochter spricht bzw. denkt so liebevoll von ihrer Mutter und von der Liebe ihrer Mutter zu Edgar. Es ist ihr so wichtig, ihre Mutter zu verstehen, zu verstehen, warum sie danach nie richtig glücklich geworden ist in ihren Beziehungen. Sie erzählt so liebevoll über ihre Mutter und wie sie es geschafft hat, ihrer Tochter selbst den Besuch des Gerichtsvollziehers noch schön geredet hat und die Zeiten, in denen der Strom abgestellt wurde, schön für ihre Tochter gemacht hat. Das war eine der liebenswerten Eigenschaften Tonis, sie hat aus wenig ganz viel gemacht und das merkt man der Erinnerung ihrer Tochter an.

„Ein schönes Leben zeigen“ – das war das, was Toni konnte und dadurch hat sie ihrer Tochter so wahnsinnig viel mitgegeben, was diese wiederum an ihre Tochter Hanna weitergibt und das hat mich dann wieder mit dem Buch versöhnt. Das ist für mich die wahre Liebe, in Gedanken in diesem Buch. Vielleicht ist es nicht die Absicht von Kristine Bilkau gewesen, aber bei mir hat sie das erreicht damit.

Die Sprache war auch in diesem Buch wieder etwas, was mich begeistert hat. Es gelingt Kristine Bilkau die Zwischenfarben zu beschreiben, ihrer Art sich auszudrücken, verdankt die Leserin die vielen Grautöne, es gibt nicht nur Schwarz und Weiß. Die Liebesgeschichte zwischen Edgar und Toni war nicht das, was mich an dem Buch begeisterte, sondern die Sprache und die Liebe, die es zwischen Toni und ihrer Tochter gab. Ich bin gespannt, wie ihr das seht.

Informationen zum Buch
Buchtitel: Eine Liebe, in Gedanken
Autorin: Kristine Bilkau
Verlag: Luchterhand Verlag
Erschienen: 2018
ISBN: 978-3-630-87518-7

P.S.: Das Buch habe ich selbst gekauft, es ist also eine Leseempfehlung und unbezahlte Werbung. „Eine Liebe, in Gedanken“ war das Buch des Monats Februar 2021 in der Bücherbar. Die Bücherbar ist ein virtueller Buchtreff, initiiert von Mareike Lüken. Die Bücherbar öffnet einmal im Monat ihre Türen und Tickets können auf Eventbrite gebucht werden.

Der Debütroman von Kristine Bilkau, „Die Glücklichen“, ist eine absolute Leseempfehlung von mir. Schaut mal rein, wenn ihr leise Geschichten mögt.

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