Ein erhabenes Königreich von Yaa Gyasi

Buchcover "Ein erhabenes Königreich" von Yaa Gyasi

Aktualisiert am 15. August 2021 von Antje Tomfohrde

Verlust, Trauer, Depression und die Frage nach der Zugehörigkeit – um all diese Themen dreht sich „Ein erhabenes Königreich“, die Geschichte von Gifty und ihrer Familie, die von Ghana in die USA auswanderte.

Wovon handelt das Buch?

Wann immer ich an meine Mutter denke, sehe ich vor mir, wie sie in einem Doppelbett liegt, eine versierte Reglosigkeit den Raum erfüllt. Monatelang nahm sie dieses Bett in Beschlag wie ein Virus, zum ersten Mal, als ich ein Kind war, und dann wieder, als ich promovierte.<span class="su-quote-cite">Ein erhabenes Königreich, Yaa Gyasi</span>

Mit diesen Worten beginnt das erste Kapitel. Gifty, die Protagonistin, beschreibt damit schon einen großen Teil dessen, um was sich die Handlung des Buches dreht. Sie ist fast 30, lebt in Kalifornien und ist dabei in Neurowissenschaften zu promovieren.

Mit der Ankunft ihrer Mutter in Kalifornien wird alles hochgespült, was sie seit Jahren unterdrückt hatte. Ihre Mutter hat Depressionen und kommt zu ihr, um zu wieder gesund zu werden, in diesem Fall heißt es, dass sie sich bei ihrer Tochter wortlos ins Bett legt, einschläft und eine ganze Zeit einfach im Bett bleibt. Bleierne Erschöpfung, Müdigkeit und ein 69jähriges Leben, das auf den Schultern dieser Frau lastet und auch auf den Schultern Giftys, der 29jährigen Gifty und der 11jährigen Gifty.

Giftys Mutter war mit ihrem Mann, im Buch nur der Chin-Chin Mann genannt und Giftys Bruder Nana aus Ghana nach Alabama gezogen. Nana war das Wunschkind, das beide Elternteile so sehr gewollt hatten und Gifty wurde in den Staaten geboren, als ihre Eltern schon gar nicht mehr damit rechneten, noch ein zweites Kind zu bekommen. Irgendwann geht der Chin-Chin Mann zurück nach Ghana und Nana, das geliebte Kind und der geliebte Bruder stirbt irgendwann an einer Überdosis Heroin. Giftys Mutter fällt in eine tiefe Depression und Gifty muss mit ihren 11 Jahren mit all dem klar kommen.

Ihre Mutter war immer sehr religiös und so ist Gifty aufgewachsen, bis sie sich als Erwachsene den Neurowissenschaften verschreibt und der Forschung widmet. Sie hat sich eingerichtet in diesem Forscherinnenleben.

Ich kontrollierte meine Mäuse und meine Experimente. Keine Kämpfe, keine Überraschungen.<span class="su-quote-cite">Ein erhabenes Königreich, Yaa Gyasi</span>

Und dann kommt ihre Mutter und ist ein zweites Mal in einer schweren Depression gefangen. Dies lässt bei Gifty die Familienvergangenheit, all den Schmerz und Kampf der Kindheit hochkommen und sie muss sich damit auseinandersetzen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

„Ein erhabenes Königreich“ ist mehr als eine simple Familiengeschichte. Das Buch ist tiefsinnig und spricht die Probleme einer Einwandererfamilie aus Afrika in Amerika an, es spricht den Zwiespalt zwischen einer ganz starken Religiosität und der Wissenschaft an und es geht das Thema Depression in diesem Kontext an. Drogenkonsum und der Wunsch, nach außen eine glückliche Familie zu sein, Sehnsucht nach den Wurzeln und eine neue Heimat im neue Land zu finden, es werden viele Facetten gezeigt.

Besonders dieser Kampf dieses kleinen Mädchens, das all dies durchmacht, ohne es groß nach außen zu tragen und nicht daran zu zerbrechen, ist gut beschrieben. Der Verlust erst des Vaters, dann des Bruders und dann der Stärke der Mutter zu kompensieren, ist brillant beschrieben und zwischen den Zeilen spürt man, wie schwer vieles war und über welch inneren Reichtum Gifty zu verfügen scheint.

Bewegt hat mich auch die besondere Situation Giftys als nicht wirklich gewünschtes Kind. Ihr Bruder Nana war derjenige, der so sehr gewollt war und sie selbst wusste, dass sie nicht so sehr gewünscht worden war. Es wird diese besondere Mutter-Tochter-Beziehung beschrieben , die so deutlich wird, als Gifty in Ghana ihre Tante, die Schwester ihrer Mutter, trifft. Mich hat dieses Mädchen und auch die erwachsene Gifty sehr beeindruckt und es war teilweise schmerzhaft zu lesen, so intensiv hat Yaa Gyasi dies beschrieben ohne dabei ins Kitschige abzudriften.

Ich war einst so gewesen, so einsam, dass ich mich nach mehr Einsamkeit sehnte.<span class="su-quote-cite">Ein erhabenes Königreich, Yaa Gyasi</span>

Als Leser:in bekommt man einen Einblick in die sehr religiöse Welt, in der Gifty als Kind lebte und wie sich angepasst hat und wie sie mit der Wissenschaft einen Weg für sich gesucht hat, da herauszukommen. Zwischen den einzelnen Kapiteln gibt es Tagebucheinträge aus dem Tagebuch, das Gifty als Kind geführt hat. Gespräche, Fragen an Gott und Geschehnisse aus ihrer Kindheit leiten die einzelnen Kapitel ein.

Yaa Gyasi erzählt eine mitreißende Familiengeschichte, die ganz intensiv mit den Themen Verlust, Zugehörigkeit und Liebe umgeht. Gleichzeitig ist das Buch wunderschön geschrieben, so dass ich es innerhalb von zwei Tagen durchgelesen hatte – eine klare Leseempfehlung meinerseits.

Informationen zum Buch
Buchtitel: Ein erhabenes Königreich
Autorin: Yaa Gyasi
Übersetzerin: Anette Grube
Verlag: Dumont Buchverlag
Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-8321-8132-1

Mein eBook ist ein kostenloses Rezensionsexemplar, welches mir vom Dumont Buchverlag über NetGalley zur Verfügung gestellt wurde. Ein großes Dankeschön dafür!

Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekomme oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.

Falls dir „Ein erhabenes Königreich“ hat, ist „Was Nina wusste“ von David Grossman eventuell auch etwas für dich.

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