Aktualisiert am 29. Juli 2021 von Antje Tomfohrde
Die Liebe im Alter – das Thema des Buchs „Die langen Abende“ vom Elizabeth Strout. Verändert sie sich, verändern sich die Menschen oder ist Liebe einfach Liebe und zeigt sich nur immer wieder anders?
Wovon handelt das Buch?
„Die langen Abende“ erzählt die Geschichte von Jack und Olive, die beide in Rente gegangen sind und im beschaulichen Küstenörtchen Cosby im US-Bundesstaat Maine leben. Olive ist Lehrerin gewesen, steckt ihre Nase prinzipiell in alles und ist sehr direkt, was nicht bei jedem gut ankommt. Einige von euch werden sie vermutlich schon aus „Mit Blick aufs Meer“ von Elizabeth Strout kennen. Jack war Professor in Harvard und ist nach Cosby gezogen, um hier seinen Lebensabend zu verbringen.
Beide eint, dass sie verwitwet sind und eine nicht ganz so enge Beziehung zu ihren Kindern und zu ihren Mitmenschen haben, was unter Umständen auf ihre auf den ersten Blick eher wenig charmante Art zurückzuführen ist.
Es kommt, wie es kommen muss, die beiden verlieben sich ineinander und wagen trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch einmal den Schritt zu heiraten und mit einem anderen Menschen zusammenzuleben. Elizabeth Strout erzählt die Geschichte dieses Paars, ihrer Liebe und ihrer Beziehung und wie sich diese im Laufe der Zeit verändert.
Es ist aber nicht nur die Geschichte dieser beiden Menschen, sondern es sind die Geschichten der Menschen um sie herum, was sie bewegt und wie ihr Leben verläuft und manchmal kreuzen sich die Wege mit denen der beiden Hauptfiguren. Denn sie gehören dazu, besonders zu Olive Kitteridge, die als ehemalige Lehrerin natürlich bekannt wie ein bunter Hund ist in dieser Kleinstadt und so manche Person in ihrem Leben gestreift und auch bewegt hat.
Wie hat mir „Die langen Abende“ gefallen?
Da ich so viel von diesem Buch und auch von den anderen Büchern Elizabeth Strouts gehört und gelesen hatte, waren die Erwartungen natürlich nicht gerade klein, als ich mit dem Buch begonnen habe. Dazu muss noch gesagt werden, dass es mein erstes Buch von ihr ist und ich die Vorgeschichte „Mit Blick aufs Meer“ gar nicht kenne. Interessante Voraussetzungen also, um dieses Buch zu lesen.
Elizabeth Strout lässt die Geschichte gleich beginnen und nimmt einen gleich mit in die Köpfe und das Leben ihrer Figuren. Und es sind keine einfachen, glatten Figuren. Jack und Olive haben Ecken und Kanten, sie sind auf der Beliebtheitsskala nicht gerade oben angesiedelt und haben doch einen gewissen Charme, vielleicht weil sie so herrlich normal sind. Olive zeichnet sich durch schlechte Laune aus und eine barsche Herzlichkeit und Jack weiß sie so zu nehmen, wie sie ist.
Ihre Liebesgeschichte ist nicht kitschig, sondern einfach aus dem Leben gegriffen. Zwei ältere Menschen, einsam und traurig über die nicht besonders innige Beziehung zu ihren Kindern, beide verwitwet, aber auch noch mitten im Leben und noch jung genug, um noch einmal neu zu beginnen. Es ergibt sich mit einer Selbstverständlichkeit, dass die beiden sich verlieben und trotzdem ihre Vergangenheit nicht hinter sich lassen, sondern mit in diese neue Beziehung nehmen.
Es wird erzählt, wie die zwei sich ändern, wie sich ihre Liebe ändert und auch wie sich die Beziehung zu den Kindern ändert bzw. wie besonders Olive hier ihre Vergangenheit reflektiert. Gleichzeitig wird ein Portrait der Küstenstadt und ihrer Bewohner gezeichnet. Die Schwierigkeiten und Risse im Leben der Menschen, die in Cosby leben und in irgendeiner Weise auch mal das Leben von Olive berührt haben.
Das Ganze geschieht ganz unaufdringlich und nebenbei. Die Erzählweise Elizabeth Strouts wird nicht umsonst gelobt. Sie schafft es, viele kleine Geschichten innerhalb einer großen Geschichte zu erzählen und die Charaktere „echt“ darzustellen. Es ist kein Roman mit einer „Knallergeschichte“, sondern ein schöner ruhiger Roman, der aus dem Leben erzählt und auf wunderbare Art und Weise über die Liebe im Alter berichtet. Die Geschichte ist gespickt mit kleinen Spitzen, Ironie und diesen Szenen, bei denen man einfach mal laut loslachen muss.
Natürlich ist der Charakter der Olive Kitteridge der Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte und das ist auch gut so. Sie ist auf die eine Art so unwirsch und geradezu unfreundlich und gleichzeitig herzlich, einfühlsam und findet auf ihre direkte Art dann oft doch die richtigen Worte, auch wenn sie nicht alles richtig macht. Sie ist echt.
Ich mag Bücher wie dieses, in denen auch die Nebenhandlung gut erzählt wird und in denen auch den Nebendarstellern ihr Moment und ihre Bühne gegeben wird und das macht „Die langen Abende“. Als Leserin werde ich mit in die Welt der Olive Kitteridge genommen, aber nicht nur dorthin, sondern auch in den Ort und in das Gefühl, dort zu leben und die Bewohner mit ihren Freuden und Sorgen im Alltag zu begleiten. Das ist der Autorin gelungen und ich empfehle es gerne an diejenigen, die auch die leisen Romane mögen.
Kennst du das Buch schon? Wie hat es dir gefallen? Lass gerne einen Kommentar hier.
Autorin: Elizabeth Strout
Übersetzerin: Sabine Roth
Verlag: btb Verlag
Erschienen: 2021 (als Taschenbuch)
ISBN: 978-3-442-77049-6
Mein Buch ist ein kostenloses Leseexemplar, das mir über das Bloggerportal vom btb Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Hierfür bedanke ich mich herzlich! Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.
Wenn dir „Die langen Abende“ gefallen hat, könnte dir auch „Die Eleganz des Igels“ von Muriel Barbery gefallen.