Das Mädchen mit der lauternen Stimme von Abi Daré

Buchcover Das Mädchen mit der lauternen Stimme

Aktualisiert am 5. November 2021 von Antje Tomfohrde

Schulbildung ist der Schlüssel zu einer Berufsausbildung und auch zu einem selbst bestimmten Leben. Wie es ist, wenn einem die Chance darauf genommen wird und wie sehr sich der Kampf dafür lohnt, erzählt Abi Daré in „Das Mädchen mit der lauternen Stimme“.

Wovon handelt das Buch?

Adunni hatte Glück, ihre Mutter bestand darauf, dass sie zur Schule ging und Adunni hatte Freude am Lernen. Doch dann starb ihre Mutter und ihr Vater brauchte Geld. Was liegt da näher, die einzige Tochter mit einem viel älteren Mann zu verheiraten, damit dieser mit der dritten, viel jüngeren Frau, endlich den ersehnten Stammhalter zu zeugen?

Mein Herz will brechen, weil ich bin erst vierzehn, fast fünfzehn, und ich will keinen dummen alten Mann heiraten, ich will wieder in die Schule gehen und eine erwachsene Frau werden, Lehrerarbeit lernen, Geld verdienen, ein Auto fahren, in einem schicken Haus mit einem Sofa mit Polster wohnen und Papa und meinen beiden beiden Brüdern helfen.<span class="su-quote-cite">Das Mädchen mit der lauternen Stimme, Abi Daré</span>

Adunni geht todunglücklich in die Ehe mit dem Taxifahrer Morufu und erträgt dieses Leben als seine Frau nicht lange. Sie läuft weg und landet in Lagos in einem Haushalt als Haussklavin und schuftet dort den ganzen Tag von früh morgens bis spät abends.

Doch ihr Wunsch nach Bildung und dem Leben, was ihre Mutter ihr gewünscht hat, ist größer als die Qualen, denen sie im herrschaftlichen Haus ausgesetzt ist. Auch hat sie Glück und findet Menschen, die in ihr mehr sehen, als eine billige Arbeitskraft.

Wie hat mir „Das Mädchen mit der lauternen Stimme“ gefallen?

Auch wenn es mittlerweile Gesetze dagegen gibt, passiert es immer noch in Nigeria und auch anderswo auf der Welt, dass Mädchen im Alter Adunnis, also so um die 14 einfach gegen ihren Willen verheiratet werden. Ihr Leben wird vorbestimmt und für die wenigsten gibt es eine Möglichkeit, etwas daran zu ändern.

Bis zu dem Tag, an dem ihr Vater ihr die Hiobsbotschaft überbringt, wünscht sich Adunni nur eins, eine lauterne Stimme. Damit ist die Schulbildung gemeint, die Stimme, die für sie spricht. Dies hat ihr ihre Mutter immer und immer wieder gesagt, da sie wollte, dass ihre Tochter eine Schulbildung erhält, um einmal ein anderes Leben als sie selbst zu führen.

Ich will in einen Raum kommen, und die Leute sollen mich schon hören, noch bevor ich den Mund aufmach.<span class="su-quote-cite">Das Mädchen mit der lauternen Stimme, Abi Daré</span>

Ein verständlicher Wunsch und um so tragischer ist, dass ihr Vater sich nicht an das Versprechen hält, dass er seiner Frau kurz vor ihrem Tod gegeben hat. Adunni ist bei ihrem Ehemann und mit den Bedingungen, unter denen sie als seine dritte Frau leben muss, todunglücklich. Man kann förmlich spüren, wie sie leidet und erhofft mit jeder Seite, dass es besser wird. Aber das wird es erst einmal nicht, sie kommt vom Regen in die Traufe und ihr Martyrium bekommt als Haussklavin in Lagos noch einmal eine ganz andere Qualität.

Es herrscht zusätzlich noch soviel Aberglauben in Nigeria und es gibt bedingt dadurch grausame Rituale, die surreal wirken und doch ist klar, dass es so etwas wirklich gibt und nicht erfunden ist. Auch die Korruption im Land und wie das Leben damit für einige besser und für andere sehr viel schlechter dadurch läuft, wird noch einmal klar. Nigeria ist ein an Bodenschätzen so reiches Land und doch entsteht dadurch kein Wohlstand und Gerechtigkeit für alle, es ist ein Dilemma.

„Das Mädchen mit der lauternen Stimme“ ist zum Glück ein Roman und es gibt Wendungen in dem Buch, die Fiktion sind und mich zu Tränen gerührt haben und Hoffnung schenkne. Das Erschreckende und Ergreifende an dieser Geschichte ist, dass sie jeden Tag an vielen Orten dieser Erde stattfindet, allerdings anders endet als in diesem Buch. All die jungen Mädchen, die eine hoffnungsvolle Zukunft vor sich hätten und dann dieses Leben als kindliche Ehefrau und Mutter oder als rechtlose Bedienstete leben müssen. Dies macht dieses Buch aber auch gleichzeitig so wertvoll. Es ruft in Erinnerung, wie wichtig Bildung ist und wie dankbar wir sein können, in diesem Teil der Welt zu Leben.

Es ist ein Aufruf, all diese Mädchen nicht zu vergessen und etwas gegen diese Ungerechtigkeiten zu tun. Eine herzzerreißende Geschichte, die begeistert und gleichzeitig aufruft, die Umstände zu ändern. Ich habe dieses Buch innerhalb von zwei Tagen gelesen und war darin gefangen, es berührt, wühlt auf, ab und an kann man lachen und es zeigt gleichzeitig auch die grausame Realität – es ist sehr intensiv!

Ungewöhnlich war das Nachwort der Übersetzerin. Simone Jakob erklärt, warum sie bestimmte Ausdrücke gewählt hat und vor welche Herausforderungen sie bei der Übersetzung stand. Dies hat mir ausgesprochen gut gefallen und zeigt noch einmal, wie wichtig die Arbeit der Übersetzer:innen ist.

Alles in allem ein ganz besonderes Buch!

Informationen zum Buch
Buchtitel: Das Mädchen mit der lauternen Stimme
Autorin: Abi Daré
Übersetzerin: Simone Jakob
Verlag: Eichborn Verlag
Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-8479-0091-7

Mein Buch wurde mir im Rahmen einer Bloggeraktion der Bloggerjury vom Eichborn Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank hierfür!

Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.

Wenn dir „Das Mädchen mit der lauternen Stimme“ gefallen hat, könnte „Eine ganze Welt“ von Goldie Goldbloom auch etwas für dich sein.

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