Aktualisiert am 8. Mai 2021 von Antje Tomfohrde
Alte Sorten – ein Buch, über das ich schon viel gelesen und viel gehört hatte und mich irgendwie immer ein bisschen gesträubt hatte, es zu lesen. Zu Unrecht, denn die Geschichte der beiden Frauen ist absolut lesenswert.
Wovon handelt das Buch?
Sally hat genug von ihrer Therapie und läuft aus der Klinik davon und findet bei Liss, die ganz allein einen Bauernhof bewirtschaftet, einen Unterschlupf. Sally ist 17, voller Wut auf alle und alles und besonders auf das Unverständnis, dass ihr bislang entgegen schlug. Liss hat schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel, schon ein Leben gelebt und arbeitet recht wortkarg auf ihrem Hof und hatte nur wenig Kontakt zu anderen Menschen in den vergangenen Jahren.
Liss stellt Sally keine Fragen, sondern lässt sie bei sich übernachten und arbeitet mit ihr auf dem Hof. Sie erklärt ihr die anfallenden Aufgaben und Sally hat Freude daran, mit ihr zusammenzuarbeiten. Die gemeinsame Zeit scheint sich positiv auf sie auszuwirken und sie lernt schnell die nötigen Handgriffe, um Liss bei den Bienenstöcken und bei der Birnenernte zu helfen. Sally genießt die Zeit mit Liss, die sie zu nichts drängt und die ihr den Raum gibt, den sie braucht.
Die beiden Frauen tun sich gut. Aus ein paar Tagen wird eine längerer Aufenthalt über mehrere Wochen. Aber irgendwann geschieht das Unvermeidliche und Sally wird gefunden und das Buch nimmt eine neue Wendung.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Jetzt, während ich darüber schreibe, bin ich noch ganz gefangen von diesem Buch und der Geschichte, die dort erzählt wird. Sally, die aus der Klinik wegläuft und Liss findet, die ihr eine Unterkunft bietet. Sie bietet ihr viel mehr als das. Liss ist ganz ruhig und unaufgeregt im Umgang mit Sally, genauso, wie es ihr gut tut und wie sie es noch nicht erlebt hat. Natürlich ist recht schnell klar, dass Liss nicht einfach eine ganz ruhige Person ist, sondern dass es da ganz viel in ihr gibt, das verheilen muss. Das hilft ihr, Sally das zu geben, was sie in dem Augenblick braucht, als sie bei ihr ankommt.
Man erkennt an der Sprache, wie sich Sally verändert. Ist sie am Anfang noch ganz hart, wird es im Laufe der Zeit besser und die Sprache im Zusammenhang mit Sally wird weicher. Bei Liss sind es die Rückblicke oder besser die Fragmente, die im Laufe der Zeit das Bild von Liss‘ Geschichte immer klarer werden lässt und die Wahrheit wie ein Puzzle zusammenfügen. Erst gibt es eine Andeutung, dann den nächsten Hinweis und irgendwann die Auflösung. Es ist sprachlich ganz fein abgestimmt und arbeitet auf das Ende zu.
Die Kämpfe, die Sally führt, sind greifbar, genauso, wie das innere Leid, das Liss so lange schon mit sich trägt und nicht herausgelassen hat. Man spürt es beim Lesen, genauso wie man beim Lesen spürt, dass Sally heilt. Es sind so kleine Momente, wo es um Nahrungsaufnahme geht, um die Beschreibungen, wie Sally damit umgeht und auch wie eine Person aus dem Dorf, die alte Anni, diese kleine Momente der beiden Frauen auf eine besondere Art begleitet. Sie ist so eine Art Anker in der Geschichte, wie ein Baum, der Halt gibt.
Genauso gibt es auch immer wieder die dunklen Wolken, die dunklen Momente, wo deutlich wird, was für eine große Wunde jede der beiden Frauen in ihrem Inneren mit sich trägt.
Es gibt in dem Buch alles, was es für eine gute Geschichte gibt, es ist zwischendurch sehr spannend und es versprüht auf ganz und gar unkitschige Art eine besondere Wärme. Die Sprache von Ewald Arenz unterstreicht jeden Teil der Geschichte und beschreibt die Entwicklung der Personen und Stimmungen. Zwischendurch und am Ende musste ich sogar weinen, da es mich so berührt hat und betroffen gemacht hat. Die Eindringlichkeit mit der die innere Not der beiden Protagonistinnen beschrieben wird hat mich mitgenommen. Eine ganz große Leseempfehlung von meiner Seite für „Alte Sorten“.
Lasst mir gerne eure Leseeindrücke von dem Buch hier auf dem Blog in den Kommentaren da.
Autorin: Ewald Arenz
Verlag: DuMont Buchverlag
Erschienen: 18.03.2019
ISBN: 978-3-8321-8381-3
Mein Buch ist ein kostenloses Leseexemplar, welches mir über NetGalley vom DuMont Buchverlag zur Verfügung gestellt wurde. Herzlichen Dank dafür!
Wenn dir der Schreibstil von Ewald Arenz gefällt, gefällt dir vielleicht auch sein Buch „Der große Sommer“.