Aktualisiert am 17. Mai 2022 von Antje Tomfohrde
Polen im Jahr 1980 – Das Jahr, in dem sich die Gewerkschaft Solidarność gründete und eine Freiheitsbewegung begann, die nicht nur Polen veränderte. In dem Sommer dieses bedeutsamen Jahres treffen sich Ludwik und Janusz, die beiden Hauptfiguren des Buches „Im Wasser sind wir schwerelos“ und verlieben sich ineinander, eine Liebe, die undenkbar ist im katholischen Polen jener Zeit.
Wovon handelt das Buch?
Ludwik und Janusz lernen sich beim Ernteeinsatz nach den Abschlussprüfungen im Sommer 1980 kennen. Während dieser Zeit unternehmen sie nicht viel miteinander, sondern beobachten sich erst einmal aus der Ferne.
Langsam nähern sie sich an, unterhalten sich ab und an und am letzten Tag fragt Janusz Ludwik, ob er mit ihm in die Masuren fährt und dort ein paar Tage verbringt. Ludwik stimmt zu und es beginnt eine wunderbar leichte Zeit für die beiden Männer, in der sie einfach sie selbst und ineinander verliebt sein dürfen.
Nach ihrer Rückkehr fällt die Leichtigkeit des Sommers ab und ein Versteckspiel beginnt, denn eine Liebe zwischen zwei Männern war im Polen im Jahr 1980 noch undenkbar. Aber nicht nur das belastet die Beziehung der beiden. Auch ihre unterschiedlichen Einstellungen zum politischen System und wie jeder damit umgeht, wird zur Zerreißprobe.
Janusz beginnt seine Arbeit beim „Zentralamt für Pressekontrolle“ und Ludwik möchte raus aus dem System, er möchte frei sein und nicht ein Scheinleben führen, um im Geheimen ein Leben mit Janusz führen zu können. Er möchte, dass sich das System ändert. Dies liefert genug Sprengstoff für die junge Beziehung.
Wie hat mir der Roman gefallen?
Das erste, was mich angesprochen hatte, war das Buchcover. Ein See und zwei Menschen, die in diesen See hineinspringen – das versprach Leichtigkeit und Lust auf Sommer, Lust auf Schwimmen, genau das, was ich im Augenblick so gerne wieder tun würde. Dann habe ich überhaupt gelesen, worum es bei dem Buch geht. Mir war klar, dass es nicht die leichte Kost wird, die ich mir vom Cover versprochen hatte, aber es klang nach einer guten und wichtigen Geschichte. Polen im Jahr 1980, ein Jahr, an das ich mich sogar schon richtig erinnern kann. Solidarność – ein Begriff, der die 80er Jahre mitgeprägt hat und für mich nicht nur etwas aus den Geschichtsbüchern oder Erzählungen älterer Menschen ist.
Wie war es als homosexueller Mensch in dieser Zeit zu leben? Tomas Jedrowski lässt Ludwik erzählen, wie er feststellt, dass er Männer liebt. Er beschreibt seine erste Liebe zu einem Jungen in seinem Alter, dann wie er als junger Mann Gewissheit bekommt und dann wie er sich in Janusz verliebt. Zwei junge Männer mit unterschiedlichem Hintergrund, der eine regierungstreu, der andere aufgewachsen in einem dem Regime kritisch gegenüber stehenden Haushalt. Es wird eine ganz zarte Liebesgeschichte gesponnen und die Unterschiede und möglichen Schwierigkeiten schwingen von Anfang an mit.
Die Hauptfigur Ludwik beschreibt das Leben im Polen der damaligen Zeit, das Schlange Stehen und auf der anderen Seite das gute oder besser dekadente Leben einer bestimmten Klasse auf der anderen Seite. Er hadert mit sich und der Welt, in der er lebt. Der Buchtitel „Im Wasser sind wir schwerelos“ hätte nicht besser gewählt werden können, leicht ist die Beziehung wirklich nur in dieser Zeit in Masuren.
Dieser innere Kampf und das System, das Ludwik nicht nur wegen seiner politischen Haltung ablehnen würde, werden so eindringlich beschrieben, dass ich als Leserin diesen Kampf spüren konnte. Zusätzlich ist es die Sprache Jedrowskis, die mich wirklich verzaubert hat. Die Sätze haben eine ganz besondere Kraft und es ist eines dieser Bücher, die ich ganz langsam gelesen habe, um die Sprache einfach auf mich wirken zu lassen. Ein wunderschönes Buch, das ich euch nur ans Herz legen kann.
Autorin: Tomasz Jedrowski
Übersetzerin: Brigitte Jakobeit
Verlag: Hoffmann und Campe
Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-455-01117-3
Hoffmann und Campe hat mir ein kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt, herzlichen Dank hierfür! Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.