Aktualisiert am 19. Oktober 2024 von Antje Tomfohrde
Nachts nach einer Party noch auf dem Heimweg irgendeinen Blödsinn veranstalten und am nächsten Tag panisch wach werden, weil der Speer einer Statue abgebrochen ist und mit nach Hause genommen wurde. Es ist nicht irgendein Speer, er gehörte zu einer Statue. Der Speer muss weg. Niemand darf etwas davon erfahren. So beginnt „Schöner als überall“ von Kristin Höller.
Wer jetzt eine lustige, gar klamaukige Geschichte von zwei jungen Männern, die im Suff Mist gebaut haben, erwartet, wird enttäuscht werden. „Schöner als überall“ ist anders.
Wovon handelt das Buch?
Nach einer Party und einer etwas wilderen Aktion, bei der eine Bronzestatue der Athene eine Rolle gespielt hat, steht Noah bei Martin mit einem geliehenen Transporter vor der Tür. „Der Speer muss weg, sagt Noah“. Martin und Noah sind Freunde seit Kindheitstagen und zusammen nach München gegangen, als Noah seinen ersten Film gedreht hat. Sie setzen sich also in den Transporter und fahren los, auf die Autobahn.
Sie fahren immer weiter, so weit, bis sie irgendwann in ihrem Heimatort sind, fast 600 Kilometer von München entfernt, zu ihren Eltern. Dort können sie zur Ruhe kommen, darüber nachdenken, was sie mit dem Speer machen und wie sie mit der Situation umgehen. Doch es ist mehr. Zuhause angekommen, denkt Martin viel über sein Leben, sein Vergangenheit nach, die Freunde und überall sind Erinnerungen an Mugo, seine Jugendliebe.
Es sind aber nicht nur Erinnerungen von Mugo, Mugo selbst ist auch da. All das setzt ganz viel bei Martin, dem Erzähler dieser Geschichte in Bewegung. Er stellt alles auf den Prüfstand, auch seine Beziehung zu Noah.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Als ich die Beschreibung des Buches gelesen habe, habe ich bei den ersten Sätzen gedacht, dass ist vermutlich so etwas wie ein Road Trip, aber dann wurde die Beschreibung anders. Es war klar, dass es ein ruhigeres Buch wird, dass nicht wild daher kommt, sondern mehr ins Innere geht. Und genau das ist es, es geht ins Innere von Martin, dem Erzähler, der sein ganzes Leben lang mit Noah befreundet war und diese Freundschaft nie in Frage gestellt hat. Das ändert sich, als sie in ihr Heimatdorf zurückkehren nach dieser völlig albernen Aktion mit der Speerspitze der Athene.
Martin beobachtet viel und denkt viel nach und Kristin Höller beschreibt dies ganz zart und vorsichtig, auch die Wut, die da ist, die Unsicherheit und die Traurigkeit darüber, dass die Liebe zu Mugo damals zerbrochen ist. Sie beschreibt diese Gedanken so gut, dass ich mir als Leserin ein bisschen so vorkomme, als ob Martin eine Tür zu seinen Gedanken geöffnet hätte.
Besonders gut gefällt mir, wie positiv Martin über seine Eltern redet bzw. denkt. Er ist nicht mehr oft dort, aber seine Gedanken sind sehr liebevoll und man merkt, dass es da dieses Urvertrauen gibt, das ihm die auch die Kraft gibt, seinen Weg zu finden. Es ist ein für mich stimmiges Buch und es beschreibt gut diesen Moment der Erkenntnis, den es gibt, wenn plötzlich die Mosaiksteinchen im Kopf zusammengesetzt werden.
Autor: Kristin Höller
Verlag: Suhrkamp Verlag
Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-518-46995-8
PS: Mein Buch ist ein kostenloses Rezensionsexemplar, welches mir vom Suhrkamp Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Vielen Dank hierfür!
Wenn dir „Schöner als überall“ gefallen hat, ist „Was Nina wusste“ von David Grossman vielleicht auch ein schönes Buch für dich.