Aktualisiert am 15. März 2021 von Antje Tomfohrde
Drei Frauen, drei Schicksale, drei Geschichten deren Wege sich kreuzen. Der Debütroman „Der silberne Elefant“ von Jemma Wayne hat es in sich und bietet einiges an Diskussionsstoff.
Wovon handelt der „Der silberne Elefant“?
Es geht um die sehr unterschiedlichen Lebenswege dreier Frauen, ihrer seelischen und körperlichen Verletzungen, falsche Entscheidungen, sehr schweren Traumata und dem Umgang mit diesen.
Emily, eigentlich Emilienne, hat den Bürgerkrieg in Ruanda überlebt und kommt nach London, um dort das Erlebte zu vergessen und ein neues Leben zu beginnen. Sie lebt erst einige Zeit bei Verwandten und zieht dann in ein eigenes, kleines Appartement und hält sich mit Putzjobs über Wasser bis sie zu einem Care Dienst kommt, der sich um kranke und ältere Menschen kümmert, die das nicht mehr selbst können.
Vera ist PR-Beraterin und hat sich mit Luke, einem Mann mit strengen moralischen Grundsätzen verlobt. Sie hat eine Vergangenheit mit Drogenexzessen, Sex und einem auf ihrer Seele schwer lastenden Geheimnis hinter sich und sucht jetzt Trost und Hilfe im christlichen Glauben. Sie will ihr Leben ändern und Buße tun und Luke ist ein Teil dieser Buße.
Lynn ist erst 58, Witwe, an Krebs erkrankt und weiß, dass sie bald sterben wird. Sie ist die Mutter von Luke und hat strenge Prinzipien. Jetzt, wo ihre Zeit abläuft, lässt sie ihr Leben noch einmal Revue passieren und entdeckt die Stellen, wo sie falsch abgebogen ist und was sie falsch gemacht hat. Sie hadert mit vielem.
Die Wege der drei Frauen kreuzen sich, als Vera sich mit der Pflege ihrer Schwiegermutter in spe versucht und dabei scheitert. Daraufhin wird der Pflegedienst, bei dem Emily arbeitet, engagiert und die Verbindung zwischen den Frauen wird geschaffen.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Es fällt mir nicht leicht zu beschreiben, wie mir dieses Buch gefallen hat. Zunächst einmal hatte mich das Cover angesprochen und die Beschreibung klang vielversprechend. Am Anfang habe ich ein bisschen gebraucht, bis ich irgendwann verstanden hatte, dass sich die Wege der drei Frauen kreuzen werden und die sterbenskranke Lynn als eine Art Katalysator für das Hochkochen der Vergangenheit in den beiden jüngeren Frauen dient.
Lynn trägt ein Geheimnis Veras weiter und dadurch wird Vera mit etwas konfrontiert, von dem sie sich losgelöst glaubte und von dem sie sich versucht, durch christliche Buße zu lösen oder sich davon zu befreien. Lynn zwingt auch Emily durch ihre Art, sich mit ihren grausamen Erinnerungen auseinanderzusetzen. Emily bringt gleichzeitig auch Lynn dazu, sich mit ihrem Leben und der Beziehung zu ihren Söhnen zu beschäftigen und Vera spiegelt ihre Entscheidung, auf eine eigene Karriere zu verzichten. Ich verstehe den Sinn dahinter, es ist mir allerdings zu schwarz-weiß gezeichnet. Auch die Beschreibung und die Bedeutung des Glaubens von Vera und ihrem Verlobten Luke ist mir zu extrem, zu unwirklich und zu streng, die Konzentration ist zu sehr auf Veras Besessenheit Buße zu tun und Luke wirkt wie aus der Zeit gefallen, wie ein strenger Puritaner. Dadurch wirkt er sehr lieblos und ich kann nicht nachvollziehen, ob sie ihn überhaupt richtig mag oder nur als einen Teil ihrer Buße ansieht. Die Geschichte Veras ist trotz der Brisanz eher farblos und kommt mir nur wie Mittel vor, das die Entscheidungen Lynns spiegeln soll, aber nicht selbst glänzen darf.
Die eigentliche Hauptfigur des Buches ist für mich Emily und ihre Geschichte, die Greul, die sie erlebt hat und wie Emily in London im Hause von Lynn getriggert wird und all dies an die Oberfläche kommt. Dieser Part ist wichtig für das Buch und gleichzeitig hat dieser Part es mir auch so unglaublich schwer gemacht dieses Buch zu lesen und es gern zu lesen. Die Autorin hat eine intensive Recherche betrieben und Augenzeugenberichte als Grundlage für Emilys Geschichte genommen. Sie beschreibt sehr intensiv, was Emily zum einen mit ansehen musste und selbst erleiden musste, so dass für diesen Teil eindeutig eine Triggerwarnung nötig ist.
Es ist wichtig, über den Genozid in Ruanda zu berichten und dafür zu sorgen, dass dies nicht vergessen wird. Allerdings gelingt es hier nicht. Es ist zu viel für diesen Roman. Es wird auf der einen Seite detailreich geschildert, was in Ruanda in Emilys Dorf passierte und der Charakter Lynn zwingt Emily geradezu zur Aufarbeitung ohne ihr überhaupt eine Wahl zu lassen. Emily fügt sich, lässt auch das über sich ergehen und dann gibt es kurz vor Ende eine Szene mit Luke, die dem Buch einen ganz merkwürdigen Beigeschmack gibt, es passt nicht. Und dies ist nicht der einzige Punkt, der es für mich unglaubwürdig macht. Die Charaktere sind stereotyp, die Frauen ordnen sich im Ganzen hauptsächlich unter. Vera wirkt so, als ob sie keine Wahl gehabt hätte, bei Lynn sieht es genauso aus. Die einzige, die keine Wahl hatte, war Emily und sie ist bis kurz vor Ende die realistischste Figur des Buches und dann driftet auch dieser Teil ab.
Es ist nicht so, dass das Buch nicht fesseln würde. Ich habe es sehr schnell gelesen und das Schicksal Emilys hat mich mitgenommen, aber der Roman liefert insgesamt zu viele Ungereimtheiten, Angriffspunkte, die leider das, was ich mir versprochen hatte, nicht gehalten haben und dadurch meiner Meinung nach nicht dem gerecht wird, was aus der Geschichte der drei Frauen hätte gemacht werden können, gerade um auf das Unsagbare, das in Ruanda passiert ist. aufmerksam zu machen.
„Der silberne Elefant“ hat mich mit Fragezeichen zurückgelassen und liefert auf jeden Fall viel Stoff für Diskussionen.
Autorin: Jemma Wayne
Übersetzerin: Ursula C. Sturm
Verlag: Eisele Verlag
Erschienen: Deutsche Erstausgabe 15.03.2021
ISBN: 978-3-96161-105-8
Mein Buch ist ein kostenloses Leseexemplar, welches mir über NetGalley vom Eisele Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Herzlichen Dank dafür!