Aktualisiert am 7. Dezember 2024 von Antje Tomfohrde
Wasserzeiten, das sind für Kristine Bilkau kleine Glücksmomente – und nicht nur für sie ist das Schwimmen etwas Besonderes. Auch für mich ist das Schwimmen etwas, das mir Kraft und Ruhe gibt. Beim Schwimmen wird nicht oder nur selten geredet und die Gedanken können ungestört fließen, bis sie sich nur noch um den nächsten Armzug drehen.
Worum geht es in „Wasserzeiten“ und was habe ich beim Lesen empfunden?
Wer „Nebenan“ von Kristine Bilkau gelesen hat, wird sich vielleicht daran erinnern, welche Bedeutung das Schwimmen für eine der Hauptfiguren hatte und wer der Autorin auf Instagram folgt, wird sich vermutlich an die gelegentlich eingestreuten Bilder von Schwimmbädern oder des Meeres erinnern. So habe ich mich sehr gefreut, als ihr Essayband „Wasserzeiten“ erschien und ihn sofort gekauft. Leider habe ich ihn dann erst einmal auf den Stapel der ungelesenen Bücher gepackt, um den richtigen Moment für das Buch abzuwarten. Im Urlaub in der Provence war dann der richtige Zeitpunkt zum Lesen gekommen.
„Schwimmen, der Körper, die Gedanken, der Ort. Was hat es damit auf sich? Woraus setzt sich dieses großartige, erhebende, erfüllende Erlebnis zusammen?“
– Aus „Wasserzeiten“ von Kristine Bilkau
Darum geht es in diesem kleinen Büchlein, was macht das Schwimmen so besonders, zumindest für manche von uns.
Es geht um die ersten Erinnerungen an das Schwimmen, wie es ist, wenn man in das Wasser eintaucht, sich langsam einschwimmt oder auch mal quält und es wird dieses Gefühl in der Freibadsaison 2020 während der Pandemie beschrieben. Das war auch für mich etwas Außergewöhnliches. Das erste Mal wieder im Freibad war so ein unglaublicher schöner Moment, es war ein großes Geschenk in diesem Sommer, wieder schwimmen gehen zu gönnen. Bei ihr vermischt es sich mit den Erinnerungen an ihren Vater, der ihr das Schwimmen beigebracht hat. Für mich sind Erinnerungen an die Nachmittage im Freibad mit meiner Mutter, meiner Tante und all den anderen Kindern untrennbar mit Schwimmen verbunden. Es waren leichte Wasserzeiten.
„Jemandem das Schwimmen beizubringen, das ist ein Akt der Fürsorge, manchmal auch der Liebe. Es ist etwas Bleibendes.“
– Aus „Wasserzeiten“ von Kristine Bilkau
Es geht weiter mit persönlichen Erinnerungen an einen Urlaub auf Bornholm, wo sie jeden Morgen schwamm und dem Wunsch, eines Tages eine alte Frau am Meer zu sein, die täglich das ganze Jahr über schwimmt. Ein Wunsch, den ich mit der Autorin teile, wobei es bei mir nicht das Meer sein muss, ich liebe es, im Schwimmbad, am liebsten im Freibad zu schwimmen.
Und darüber berichtet sie auch, über die Swimming Ponds in Hampstead Heath im Norden Londons. Eines dieser Wasserreservoirs ist Männern vorbehalten, eins Frauen und eins ist der Mixed Pond. Im Winter zum Beispiel trifft sich am Ladies` Pond ein kleines Damentrüppchen zum morgendlichen Schwimmen. Es geht um die Bedeutung dieser dieser Orte für uns Menschen, es sind wichtige Begegnungsorte. Wobei mir einfällt, dass es meiner Tante erst anfing richtig schlecht zu gehen, als die Pandemie sie am Schwimmen hinderte. Danach hat sie nie wieder zu alter Form zurückgefunden und auch nicht mehr am Eingang des Freibads an der Kasse gesessen, was sie noch im hohen Alter gemacht hatte vor der Pandemie.
Diese Ponds sind ein Sehnsuchtsort, nicht nur für Kristine Bilkau, sie stehen auf meiner Bucket List Schwimmbäder (ja, es mag für manche*n absonderlich wirken, aber es gibt Schwimmbäder, in denen ich unbedingt schwimmen möchte, meine Wasserzeiten verbringen möchte). Öffentliche Schwimm- und besonders Freibäder sind ein Ort des Miteinanders, übrigens ein sehr wichtiger Grund, um sie zu erhalten und nicht zu schließen.
„Da sind Menschen, die aufeinander achten und es gut meinen. In einem Teich oder Schwimmbecken, an einem Badestrand am See oder am Meer, überall dort passiert so vieles gleichzeitig, und die Begegnungen, Momente und Eindrücke werden zu einem feinen und komplexen Gewebe. Eine Miniaturversion des sozialen Miteinanders, an einem kleinen, überschaubaren und manchmal vielleicht magischen Ort.“
– Aus „Wasserzeiten“ von Kristine Bilkau
Auch das Schwimmen im Winter wird von Kristine Bilkau mit Worten bedacht und ja, ich kann sie mir alte Frau am und im Meer zu jeder Jahreszeit vorstellen.
Sie streut bei all den persönlichen Geschichten auch immer wieder Geschichten anderer ein wie zum Beispiel über eine Eistaucherin und gibt Buchempfehlungen wie bei den Hampstead Heath Ponds. Dies rundet den Essayband ab, es gibt noch etwas zum Weiterlesen, es muss nicht aufhören. Auch erzählt sie, wie sie selbst als Erwachsene noch gelernt hat, richtig zu kraulen, ein tolles Gefühl, etwas Neues zu lernen.
So schlägt sie auch eine Brücke zum Schreiben, denn auch hierbei ist Ausdauer gefragt, nach dem Scheitern neu zu beginnen mit einem Text, bis er gut ist. Um eine Schwimmtechnik richtig gut zu beherrschen, braucht es Ausdauer und den Willen, immer wieder neu zu beginnen oder auch Akzeptanz, dass man es niemals richtig können wird und trotzdem weiter macht, ohne die Freude daran zu verlieren.
„Wasserzeiten“ zeigt, wie wichtig es ist, dass es in den Kommunen solche Räume gibt, sie gibt Beispiele aus Island und auch aus Brüssel, wo es die Initiative „Pool is cool“ gibt, die in den heißen Sommerwochen ein Pop-up-Freibad aufbaut, das nach Anmeldung kostenlos genutzt werden kann.
„Wichtig wäre für die Zukunft, dass Schwimmbäder so ökonomisch wie möglich mit Ressourcen wie Wasser und Energie umgehen. Eine ideale Entwicklung wäre in meinen Augen eine Gesellschaft mit für Kindern und Erwachsene gleichermaßen attraktiven, nachhaltig betriebenen Schwimmbädern. Im Idealfall ist das Schwimmbad ein so schöner Ort, dass ein Urlaubsgefühl entsteht und sich die Frage stellt: Warum noch all-inclusive buchen, um in einem Hotel drei oder vier Flugstunden entfernt am Pool in der Sonne zu liegen?“
– Aus „Wasserzeiten“ von Kristine Bilkau
Hiermit rennt sie bei mir offene Türen ein, lebe ich in einem Ort, in dem seit Jahren an den Schwimmanlagen gespart wird und diese wichtigen Räume des Miteinanders wegfallen. Wir brauchen mehr und nicht weniger solcher Räume, Teilhabe ist auch hier das Zauberwort. Das Schwimmen verbindet die Generationen und Schichten.
Für mich ist „Wasserzeiten“ eine kleine, feine Liebeserklärung an das Schwimmen. Es ist sehr persönlich und beschreibt für mich das Besondere an dieser Bewegungsform und warum es uns so nah ist, schließlich kommen wir aus dem Wasser wie unsere Vorfahren, die Fische.
„Schwimmen, so viel weiß ich inzwischen, löst keine Probleme, aber es kann für Klarheit und Mut sorgen, um sich ihnen zu stellen.“
– Aus „Wasserzeiten“ von Kristine Bilkau
Autorin: Kristine Bilkau
Erscheinungsdatum: 16. März 2023
Verlag: Arche Verlag
ISBN: 978-3-7160-2819-3
PS: Dieses Buch ist selbst gekauft und ich kaufe Bücher am liebsten in kleinen, inhabergeführten Buchhandlungen. Bei den meisten Buchhandlungen ist es auch möglich, online zu bestellen, sie sind also auf jeden Fall eine Alternative zu den großen Online-Shops. Online bestellen und in der Buchhandlung abholen oder direkt nach Hause liefern lassen, auch eBooks können direkt bei der Buchhandlung deiner Wahl online gekauft werden. Dieses Buch habe ich in der Hohenlimburger Buchhandlung gekauft. #SupportYourLocalBookshop
Ob mir ein Buch kostenlos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt wurde, ich es geliehen, geschenkt bekommen oder selbst gekauft habe – all dies hat keinen Einfluss auf meine Rezension. Meine Rezensionen geben allein meine Meinung wieder, die ich mir während des Lesens gebildet habe.
„Nebenan“ von Kristine Bilkau ist ein Roman, der mich sprachlich ganz außerordentlich begeistert hat. Nimm dir Zeit und genieß auch die Ausflüge ins Schwimmbad mit Astrid.
Ein weiteres Buch, in dem das Schwimmen eine große Rolle spielt, ist „Der große Sommer“ von Ewald Arenz. Wenn du es gelesen hast, geht es dir hoffentlich wie mir und du wirst jedes Mal, wenn du an das Buch denkst, an diesen einen Freibadsommer denken, an Freibadpommes und an lange Abende mit der Clique.